Freitag, 4. April 2014

Sudan März 2014



Sudan 2014              1.-11.3.2014

Für die Einreise in mein Lieblingsland legten mir die Sudanesen dieses Mal diverse Stolpersteine in den Weg. Nicht nur, dass man jetzt auch eine Einladung oder Hotelbuchung vorzeigen muss, auch das Visum dauerte 5 Wochen und diverse Telefonate. Als ich schon ziemlich nervös wurde kam endlich der Pass noch rechtzeitig an. Der Flug nach Addis war problemlos und von der Landung des Fliegers bis ich aus dem Flughafen draußen war dauerte es nur 30 Minuten. Die Äthiopier arbeiten immer effizienter, aber wir waren auch das einzige Flugzeug, das gerade gelandet war.

Ich rief meinen Sohn Bekalu an, der noch schlief. Am Tag zuvor meinte ich noch, es würde bestimmt 8 Uhr werden, bis ich mit allem fertig sei, jetzt war es schon um halb sieben soweit. Da ich nicht im Flughafengebäude warten wollte, ging ich ihnen mit meinen Koffern entgegen, begafft von allen anderen und von Hunderten von Taxifahrern angemacht, die mich nach Hause bingen wollten. Nach knapp einer Stunde trafen Bekalus Frau Azeb und seine Schwester Bezuayehu ein.

Wir fuhren nach Hause und frühstückten erst mal, die Kinder waren schon wach, auch Bekalu war schon in Geschäften unterwegs. Er traf aber kurz nach uns ein und Azeb und er mussten auch gleich wieder los. Sie wollen nämlich ein neues Haus bauen und mussten den Baufortschritt begutachten. Ich entschied mich, nicht   mitzufahren sondern legte mich lieber eine Stunde hin. Ich Flugzeug habe ich zwar geschlafen, aber es war im Sitzen nicht sonderlich bequem. Danach sortierte ich mein Gepäck und duschte. Bekalu kam um 2 Uhr zurück und brachte mich wieder zum Flughafen.

Der Flieger nach Khartoum war wesentlich kleiner, eine Propellermaschine und voll mit Chinesen. Der Flug dauerte knapp eineinhalb Stunden und die Einreise in den Sudan war wesentlich bürokratischer. Erst mal musste man ein Einreiseformular ergattern, da aber gleichzeitig noch eine Maschine gelandet war, gestaltete sich dies schwierig. Als ich es endlich geschafft und mich eingereiht hatte, machte man mich darauf aufmerksam, dass ich in der falschen Schlange anstand. Als ich bis zum Schalter vorgedrungen war, war die Dame bei der Passkontrolle sehr freundlich und schaute gar nicht, was ich in meinem Formular geschrieben hatte, sondern stempelte es ab und wünschte mir eine gute Zeit. Da die Passkontrolle so lange gedauert hat, stand mein Koffer zum Glück schon da. Es gab wieder großes Gedränge beim Zoll, bis ich meinte, in meinem kleinen Köfferchen könnte ich ja kaum was schmuggeln und man ließ mich ziehen. Diese Einreise hat fast 2 Stunden gedauert.

Awad wartete schon ungeduldig und wir erkannten uns sofort wieder. Wir hatten uns seit 5 oder 6 Jahren nicht mehr gesehen, er war ein bisschen älter und runder geworden, aber das Gleiche kann man von mir ja auch sagen. Wir fuhren durch die Stadt zu seinem Laden und danach in ein Restaurant, dass sehr gut war, mit europäischer Küche und angenehmer Atmosphäre. Nach dem Essen fuhren wir kurz bei Awads Frau und Tochter vorbei um Hallo zu sagen und danach zu seiner Mutter. Sein Vater ist vor einigen Jahren gestorben, aber seine Mutter ist jetzt Mitte siebzig und in guter Verfassung. Auch sein Bruder Gindil und seine Schwester Eshrara kamen kurz vorbei. Aber als das Bett in greifbarer Nähe war, wurde ich aber schlagartig todmüde, denn ich war jetzt sein fast 40 Stunden wach, wenn man den Flugzeugschlaf und die Stunde in Addis nicht mitzählt. Es gab eine kurze Diskussion, ob ich im Hof schlafe oder im Zimmer. Im Hof war es noch ziemlich warm, so um die 35°, deswegen entschied ich mich für das klimatisierte Zimmer, obwohl ich die Klimaanlage schon kurz danach abstellte, zu laut und zu kalt. Ich schlief sofort tief und fest.

Am nächsten Morgen war ich frisch und munter und um 8 Uhr ausgeschlafen. Awad wollte um 9 zum Frühstück kommen. Ich duschte kalt und trank schon mal Tee. Awad und Gindil trafen wenige Zeit später mit Brot und meinem Lieblingskäse ein. Diesen Käse, den ich Darmverschlingung getauft habe, habe ich zum ersten Mal 1982 in Khartoum gesehen. Später habe ich ihn in Istanbul gefunden und seit einigen Jahren gibt es ihn auch im türkischen Supermarkt in Bruchsal. Wir tranken noch mehr Tee, aßen frische Limonen direkt vom Baum und fuhren danach in die Stadt zum Ausländeramt um für mich eine Reiseerlaubnis für Port Sudan zu holen. Aber das war nicht so einfach. Wir wurden von Pontius zu Pilatus geschickt und es gab keine Formulare, erst als Awad ein bisschen Geld locker machte, lief es wie am Schnürchen. Wir mussten alles 3 mal kopieren, meinen Pass, das Visum und das Formular, dann gaben wir es ab und der Polizist wollte sich melden, wenn es fertig sei. Ich war die einzige westliche Ausländerin.

Danach fuhren wir in Awads Laden und das Büro, wo auch noch andere Freunde von Awad waren, alle deutschsprachig. Überhaupt schien der Laden der Treffpunkt der deutschen Sudanesen zu sein. Awad und ich haben uns 1982 kennengelernt und sind seitdem in Kontakt. Er hat fast 20 Jahre in Deutschland gelebt und ist vor einigen Jahren wieder in den Sudan zurückgekehrt. In Khartoum hat er 2 Läden in einer noblen Gegend mit vielen Villen. Dort verkauft er Parfüm, Weihrauch und allerlei andere Wohlgerüche. Die Geschäfte laufen sehr gut. Vor kurzem kam noch ein Laden mit sudanesischem Kunsthandwerk und Gemälden dazu. Dort traf ich auch Bakhri wieder, den ich schon genauso lange kenne wie Awad. 1982 bei meiner 1. Reise haben wir uns getroffen, die Kommunikation war ein bisschen schwierig, da Bakhri kein Englisch spricht, aber er ist ein sehr netter Mensch, freundlich und warmherzig.

Gegen 4 Uhr rief der Polizist an und wir holten das Formular ab. Eigentlich wollte Awad am nächsten Tag starten, aber er meinte, vor der langen Fahrt wollte er gerne nochmal das Auto überprüfen lassen und wir einigten uns darauf, lieber einen Tag später zu starten. Abends fuhren wir in eine Hähnchenbraterei, wo es für mich Suppe und Salat gab. Danach besuchten wir die Familie von Awads Frau und aßen dort noch Wassermelonen, für die es zur Zeit Hochsaison ist. Mit dem Arabisch ist es mühsam. Ich verstehe es einigermaßen, aber mit dem Sprechen tue ich mich noch sehr schwer.

Gegen 10 waren wir zuhause und vereinbarten, dass mich Gindil am nächsten Tag mit in die Stadt nimmt und mir vor allem eine sudanesische Simcard besorgt. Ich war ziemlich groggy und bin nach einer Dusche gleich ins Bett gefallen. In der Nacht wachte ich auf, weil es heftig regnete – völlig außerhalb der Regenzeit. Danach konnte ich erst mal stundenlang nicht mehr schlafen. Zuviele Eindrücke gingen mir im Kopf rum.

Am nächsten Morgen war ich wie gerädert und bin erst um 9 Uhr aufgewacht. Auch durch die Dusche nicht viel wacher geworden. Gindil kam um 10 und wir kauften die Simcard und etwas Telefonkredit. Die Leute der Telefongesellschaft öffneten auch mein Handy, damit ich die Karte einlegen konnte. Es war um 10 Uhr schon 38° warm und ich war plötzlich gar nicht mehr so scharf drauf alleine bei der Hitze durch die Stadt zu laufen. Khartoum hat sich seit dem letzten Mal sehr verändert. Es ist viel größer geworden und das Stadtzentrum ist nicht mehr wiederzuerkennen. Vor 30 Jahren war es noch wie ein großes Dorf mit wenigen Steinhäusern, die aus der Kolonialzeit stammten, ein Villenviertel direkt am Nil. In der Stadt gab es einige wenige Villen, sonst nur Lehmbauten und jetzt ist das Zentrum dicht bebaut mit hohen Häusern. Am Nil gibt es ein 5-Sterne-Hotel, von Ghaddafi erbaut in Eiform, dass hier nur Ghaddafis Ei genannt wird. In der Stadt ist Dauerstau, auch über die Nilbrücken kommt man nur quälend langsam. Wir fuhren zu VW und trafen dort Awad, mit dem ich dann weitergefahren bin. Wir holten Hannah ab, eine Freundin von Awad und gingen in ein gutes türkisches Restaurant essen. Hannah sprach gut English und wir hatten uns einiges zu erzählen.

Nach dem Essen besuchten wir einen Künstler, Ahmed, der auch schon in Europa ausgestellt hat und gut von seiner Arbeit leben kann. Seine Bilder gefielen mir fast alle sehr gut. Das Haus war voller Bücher. Danach fuhren wir wieder in den Laden, wo noch mehr deutschsprachige Sudanesen eingetroffen waren. Alle haben damals in Deutschland studiert und leben jetzt wieder im Sudan.

Am späten Nachmittag wollte Awad noch 2 Reifen wechseln, was sich im Nachhinein auch als sehr gut herausstellte, denn sie waren schon arg hinüber. Danach gingen wir Abendessen in einem schicken Restaurant in Omdurman, das direkt am Nil liegt. Es gibt dort sudanesische und mongolische Küche. Ich wählte Ful und Falafel, mein sudanesisches Lieblingsessen. Dieses Restaurant heißt Al Hosh (der Hof) und ist neu erbaut mit schönem Ambiente. Dort war auch eine tief verschleierte Frau und ich überlegte, wie sie mit Schleier essen würde. Ich fragte Awad und wir frozzelten darüber. Sudanesische Frauen sind normalerweise nicht verschleiert, sondern tragen einen „Tobe“, der einem indischen Sari ähnelt. Es sieht sehr elegant aus, aber man muss damit aufgewachsen sein, um sich elegant damit bewegen zu können. Ich musste mir immer krampfhaft alles zusammen halten, damit ich nicht plötzlich im Freien stand. Auf dem Nachhauseweg erstand Awad noch eine riesige Wassermelone, die wir gleich mit Awads Mutter und Schwester verspeisten. Ich duschte und packte meinen kleinen Rucksack für die Reise.
Raststätte an der Hauptstraße Khartoum - Atbara

Ich hatte mir den Wecker auf 5 gestellt. In der Nacht regnete es wieder. Awad kam mit Bakhri um 6 Uhr vorbei und dann ging es los. Es war noch stockdunkel und wenig Verkehr. Omdurman zog sich ewig hin. Die Stadt ist in den letzten Jahrzehnten mehr in die Breite gewachsen und um sie zu durchqueren muss man schon 80 km fahren. Am Nordende gab es eine neue Brücke und wir erreichten die Straße nach Atbara. Bei meiner ersten Reise war ich schon mal in Atbara gewesen, es liegt ungefähr 400 km nördlich von Khartoum.

Als es schließlich hell war, frühstückten wir in einer „Raststätte“, Shai Laban (Milchtee) und Krapfen. Im Sudan ist alles entweder extrem süß oder extrem scharf und wir kämpften immer, damit wir den Tee nur mit einem Teelöffel Zucker bekamen statt mit 5 oder 6 Esslöffeln. Es war ziemlich viel Verkehr, vor allem von großen Lastwagen und Autobussen, die sich in teilweise halsbrecherischer Manier überholten. Die Straße verläuft schnurgerade und das verleitet natürlich zum Überholen. Entgegenkommende Fahrzeuge kann man entfernungsmäßig schlecht abschätzen. In Atbara machten wir kurz Station um einen alten Freund von Awad und Bakhri zu besuchen, der jetzt mit seiner Familie dort lebt und als Straßenbauingenieur arbeitet. Die Stadt ist sehr gewachsen und wird von einem riesigen Betonwerk dominiert. Es staubte ziemlich und das kann ja nicht gerade sehr gesund sein. Bald fuhren wir weiter Richtung Port Sudan auf der neuen Asphaltstraße. Der Verkehr hinter Atbara ließ deutlich nach.

Das nächste Problem war jetzt Benzin. Awad wollte eigentlich in Atbara tanken, aber vor lauter Reden hatte er nicht mehr dran gedacht. Nach etwa 80-90 km kam eine Tankstelle, aber sie hatten nur Diesel. Man sagte uns, die nächste Tankstelle sei 60 km weiter und wir hofften, dass der Sprit reichen würde. Tatsächlich kamen wir mit dem letzten Tropfen dort an. Die Strecke Atbara – Port Sudan ist etwa 400 km lang und es gibt nur wenige Dörfer und Tankstellen. Irgendwann gabelte sich die Straße und dort lag ein großer Rasthof und Tankstelle, wo wir Tee tranken.

Mohamed Ahmed
Danach war es nicht mehr weit bis wir auf die Straße nach Arkawit abbogen. Zu Kolonialzeiten war dort ein Militärcamp, von wo aus die Briten  im 2. Weltkrieg gegen die Italiener in Eritrea kämpften. Es war nur noch ein großes Tor übrig. Wir fuhren etwa 20 km weiter Richtung Berge. Die Landschaft änderte sich dramatisch. Die Asphaltstraße führte durch flache eintönige Landschaft, viel Sand, Geröll und wenig Gräser. Aber je näher wir den Bergen kamen, desto grüner wurde es und die Felsformationen war auch nicht schlecht.

Das Kaffeehaus
Wir hielten im ersten Dorf und tranken Kaffee. Awad kannte den „Kaffeehausbesitzer“ Mohamed Ahmed von früheren Reisen. Der Kaffee wird ähnlich zubereitet wie in Äthiopien, aber zusätzlich noch mit gemahlenem Ingwer. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Ich staunte, als ich hörte, dass Mohamed Ahmed erst 45 war, ich hätte ihn auf über 60 geschätzt. Aber das Leben auf dem Land ist hart und die Menschen altern schneller. Auch das Kaffeehaus war ein Verschlag aus Ästen und trockenen Kakteen, man saß auf dem Boden auf alten Säcken.

Unser Hotel lag wenige hundert Meter hinter dem Dorf und ich war verblüfft, so etwas in dieser Einöde zu finden. Ein richtig großes Hotel mit allem Komfort – und wir waren fast die einzigen Gäste. Awad meinte, dass in den Sommermonaten das Hotel richtig voll sei. In der näheren Umgebung gibt es noch mehrere große leerstehende Anwesen, die der Regierung gehören. Das Klima in den Bergen ist sehr angenehm. Tagsüber wurde es 24° warm und nachts kühlte es auf 18° ab. Das Abendessen bestand aus Omelett mit Brot. Die Zimmer rochen ein bisschen muffig, aber nach längerem Lüften wurde es besser. Wir lernten auch Feliciano Riccardo aus Manila kennen, der schon seit vielen Jahren im Sudan als Baggerfahrer arbeitete. Er hatte in einem Seitental nach Mineralien gesucht und wartete jetzt auf den LKW, der ihn und seinen Riesenbagger abholen würde.

Am nächsten Morgen war ich früh wach und duschte ausgiebig. Es gab warmes Wasser. Nach dem Frühstück - Omelett mit Brot - kauften wir Wasser, Brot und Datteln und marschierten los. Es war sehr neblig und wir sahen keine Berge. Wir fragten uns durch und wurden von Frauen und Kinder angebettelt: „Grush fi?“ Das ist die arabische Variante von „Haste mal en Euro?“
Nach etlichen Irrungen und Wirrungen kam wir am Jebel Al Sit an und sahen – Nebel. Immerhin gab es ein Absperrgitter, damit man nicht in die Schlucht stürzte und auch einen Kaffeeverkäufer. Seit kurzem auch einige Rondells, in denen man sitzen kann. Wir wollten erst mal Kaffee trinken und hofften, dass sich der Nebel verziehen möchte.  Aber es gab keinen Zucker. Zum Glück ist in Afrika jeder mit einem Handy ausgerüstet und er telefonierte nach Zucker. Wir mussten ein bisschen warten und versuchten in dem Nebel etwas von der Landschaft zu sehen. Der Kaffeeverkäufer meinte, gegen Mittag würde sich der Nebel lichten und tatsächlich war es auch so, auch wenn die Sicht immer noch diesig war. Die Schlucht lag einige hundert Meter tiefer und die Seiten waren mit Geröllhalden. Trotzdem gab es dort noch Ziegen und Mädchen, die sie hüteten. Wir kletterten auf den Jebel al Sit und beguckten die Landschaft, die in ihrer Kargheit atemberaubend schön war.

Djebel al Sit
Dann kletterten wir wieder zu dem Kaffeeverkäufer runter, wo inzwischen der Zucker eingetroffen war, sowie einige Studenten aus Port Sudan. Wir unterhielten uns, tranken Kaffee und aßen Brot mit Datteln. Später boten uns die Studenten noch einige Stücke Wassermelone an. Am späten Nachmittag machten wir uns auf den Rückweg, der sehr viel kürzer als der Anstieg im Nebel war. Neben unserem Hotel gab unter einer Akazie einen weiteren Kaffeestand, wo wir einkehrten. Überall im Ostsudan wird Kaffee getrunken, einmal bestellten wir Tee, aber er war beinahe ungeniesbar. Beim Kaffeetrinken lernten wir auch einen ziemlich großmäuligen Ingenieur kennen, der gegenüber unserem Hotel eine Ferienanlage des Justizministeriums sehr dilletantisch instand setzte. Als es langsam dunkel wurde, gingen wir zurück ins Hotel zu unserem Abendessen, Omelett mit Brot.

Wir saßen noch ein Weilchen zusammen und sprachen über alte Zeiten. Awad meinte, ich sei damals besonders von dem sudanesischen Testbild – bestehend aus einer Blume und Musik – beeindruckt gewesen und hätte ihn, als wir uns 1989 in Deutschland wiedersahen, ganz ernsthaft gefragt, ob immer noch dieses Testbild im Fernsehen liefe. Wir wieherten vor Lachen. Es wurden die ganzen alten Kamellen aufgewärmt, Awad und Bakhri kennen sich auch schon seit dem Kindergarten und wir hatten alle viel Spaß.

Am Morgen wachte ich früh auf, duschte und packte, aber von Awad und Bakhri war noch nichts zu sehen. Ich setzte mich unten in die Lounge und wartete. Nach einiger Zeit bestellte ich dann Tee, aber noch immer war nichts von den beiden zu sehen. Als sie schließlich auftauchten, wollte Awad gleich losfahren um dem Omelett-mit-Brot-Frühstück zu entgehen. Wir bezahlten und fuhren etwa 40 km nach Sinkat, wo wir Ful mit Sesamöl und Brot aßen. Awad kaufte noch Obst auf dem Markt und wir fuhren weiter. Einige Kilometer hinter Sinkat gab es einen Stand mit sehr gutem Tee und Kaffee. Er lag einsam an der Landstraße. Dort kann man auch essen und sogar übernachten - ohne Komfort.

Suakin mit Teeverkäufer
Die Straße durch die Berge war gut ausgebaut, aber kurvenreich. Nach einer Stunde erreichten wir Suakin. Dort war ich vor 30 Jahren schon mal mit Stefan. Aber es hat sich sehr verändert. Das alte koloniale Suakin lag auch damals schon in Ruinen und das moderne Suakin bestand nur aus ein paar Hütten. Diese Hütten sind zu einer kleinen Stadt geworden – mit Steinhäusern und zweimal täglich fährt von dort aus eine Fähre nach Jeddah. Die Ruinenstadt war voller Betrieb. Die Türken und Sudanesen versuchen, sie wieder aufzubauen nach altem Vorbild. Wir bezahlten 10 Pfund Eintritt und wanderten durch die Ruinen. Ich versuchte den Platz wiederzufinden, wo ich damals kampiert hatte, aber es gelang mir nur so ungefähr.

Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Port Sudan, das etwa 70 km nördlich von Suakin liegt. In dieser Stadt war ich noch nie, aber ich war positiv überrascht. Awad hat von einem befreundeten jemenitischen Händler eine Wohnung gemietet, das ist billiger und privater als ein Hotel. Wir ruhten ein bisschen und fuhren dann in die Stadt. Im Stadion war die Hölle los. Der Präsident war gekommen und es wurde das Ende einer Messeausstellung gefeiert. Ich hatte schon den ganzen Tag Bindehautentzündung, wahrscheinlich von der Klimaanlage und wir besorgten in der Apotheke arabische Augentropfen, die sofort halfen.

Kameltransport nach Ägypten
Am nächsten Morgen fuhren wir zum Hafen und suchten einen Platz zum Frühstücken. Wir gingen in ein Fischrestaurant, wo es für mich Suppe und Reis gab und für die Jungs Fisch. Der Service war quälend langsam, am Nebentisch palaverten einige Regierungsleute ziemlich laut und nervtötend. Awad regte sich über den Mist auf, den sie von sich gaben. Ich verstand zum Glück nichts. Nach einem schlechten Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Norden. Awad wollte ans Meer nach Arous, aber wir fanden nicht den richtigen Abzweig und als wir fragten, waren wir schon viel zu weit. Der Kaffeeverkäufer, den wir fragten, meinte, etwa 120 km nördlich gäbe es eine wunderschöne Bucht und für ein bisschen Geld war er bereit mit uns mitzufahren und uns die Stelle zu zeigen.

Es war weit, aber es hat sich gelohnt. Die Landschaft änderte sich vielfach und die Straße war ziemlich neu und führte nach Ägypten. Dort gab es viele LKWs mit Kamelen. Die Zeit der Karawanen ist vorbei und die Kamele fahren jetzt per LKW in die ägyptischen Schlachthöfe. Sie saßen ziemlich majestätisch im LKW und guckten in die Landschaft. Irgendwie erinnerten sie mich an ältere Damen bei einer Butterfahrt.

weiß-blau
Die Bucht, in die wir fuhren, war wirklich wunderschön, das Meer tiefblau, der Himmel hellblau, der Strand ziemlich weiß und in der Bucht ankerte ein Segelschiff. Wir fanden viele Muscheln und Korallen, der Strand war bevölkert von Pelikanen und Krebsen, die eilig flüchteten als wir kamen. Hier könnte ich es ein Weilchen aushalten. Vielleicht beim nächsten Mal.

Am Nachmittag fuhren wir wieder zurück und setzten Musa bei seinem Kaffeestand ab. Danach hielten wir doch noch in Arous, wo Awad auch Leute traf, die er von früher kannte. Sie sprachen zum Glück auch Englisch und wir unterhielten uns über Politik und den Niedergang des Hafens in Port Sudan. Sie meinten, früher seien dort täglich einige hundert Schiffe abgefertigt worden, aber durch die Misswirtschaft der Muslimbrüder kämen jetzt nur noch ein bis zwei Schiffe täglich. Seit einigen Jahren gibt es in der Provinz Port Sudan einen neuen Gouverneur, der sehr fähig zu sein scheint. Jedenfalls war die Stadt überraschend sauber und man sah auch Männer und Frauen händchenhaltend durch die Straßen laufen. Awad und Bakhri trafen einen alten Freund, mit dem sie früher um die Häuser gezogen waren. Er war im Begriff zum ersten Mal zu heiraten – mit über 50 – und musste sich einige Neckereien anhören.

Port Sudan hat mir wirklich gut gefallen, obwohl ich mir ganichts davon versprochen hatte. Aber es ist auch ziemlich international, vor allem leben dort viele Jemeniten und Saudis. Auch die Waren und das Benzin kommen eher von Saudi-Arabien als von Khartoum.

Am nächsten Morgen standen wir um 5 Uhr auf und fuhren kurz nach 6 Uhr los. Am Stadtrand tankten wir und fuhren zurück nach Suakin, wo Awad und Bakhri bei einem Händler Muscheln und Korallen kauften, die sie im Laden verkaufen wollten. Wir frühstückten auch dort. Awad meinte, die Sudanesen würden erst um 10 oder 11 Uhr frühstücken und es sei schwierig, vorher etwas zu finden. Aber wir hatten Glück und ein sehr gutes Ful-Restaurant hatte schon geöffnet. Wir nahmen auch Ful-Burger für die lange Reise mit und kauften Wasser.

Der nächste Stop war die Gabelung in Heiya, wo wir tankten und von den Frauen dort Körbe kauften, die Awad in seinem Laden verkaufen wollte. Es kamen wieder viele Kinder mit dem Spruch „Grush fi?“ Wir fuhren weiter und unterhielten uns. Die Strecke führte entlang der alten britischen Bahnlinie und Awad erzählte, dass sie vor über 100 Jahren gebaut worden war und noch immer in gutem Zustand sei, obwohl die Regierung den Unterhalt der Bahnlinie vernachlässigen würde. Wir beschlossen, am nächsten Bahnhof zu halten und ihn zu fotografieren.

Er lag nicht weit entfernt von der Straße in einer ziemlich sandigen Gegend mit nur wenigen Hütten. Der Wind blies ziemlich heftig und wir knipsten drauf los, bis auf einmal die Tür aufging und 2 Bahnwärter uns hereinbaten. Sie erzählten, täglich würden 5 Güterzüge vorbeikommen. Sie tun immer 30 Tage Dienst und haben dann 30 Tage frei. Sie zeigten uns alles, das Stellwerk und die Signalanlage, die auch schon über 100 Jahre alt waren. Sie freuten sich wirklich sehr uns zu sehen, eine willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei. Wir gingen zusammen zu einer Hütte, in der es auch Kaffee gab. Mittlerweile hatte sich unsere Anwesenheit rumgesprochen und es kamen viele Männer um uns zu bestaunen. Ein älterer Mann fasste sich ein Herz und meinte, man solle mir sagen, dass der Brunnen des Dorfes nur salziges Wasser hätte, dass man nicht trinken könne und das auch die Tiere verschmähten. Die Regierung würde nichts tun, dabei könnte man mit einem Filter Abhilfe schaffen. Wir gingen zu dem Brunnen und wirklich, das Wasser schmeckte scheußlich, salzig und bitter. Awad notierte sich die Handynummer von dem Dorfchef, dann beteten alle, dass es mit dem Filter klappen würde und wir fuhren weiter.

Etwa 100 km weiter kamen wir mitten in der Wüste an Früchten vorbei, die ähnlich wie kleine Kürbisse aussahen und wir sammelten sie ein. Awad meinte, das sei Medizin und sehr gut bei Rückenschmerzen, Rheuma und Arthritis.

In Atbara machten wir Station bei Bakhris Freund, aber er war außer Haus, deshalb gingen wir in eine Cafeteria außerhalb der Stadt, in der es wirklich sehr guten Tee gab. Danach fuhren wir durch bis Dem El Garay, etwa 170 km vor Khartoum. Das ist ein kleines Dorf am Nil, wo ich beim letzten Mal fast eine Woche verbracht hatte. Die Dorfleute waren so nett und gastfreundlich, vor allem Issam, der mich damals im Bus aufgegabelt hatte und zu sich eingeladen hatte.

Izzam mit seinen Jungs
Wir fragten uns zu seinem Haus durch und seine Schwester öffnete die Tür. Sie erkannte mich sofort und freute sich sehr uns zu sehen. Issam war mit seiner Frau und Mutter bei einer Beerdigung, aber die Schwester rief ihn an und nach wenigen Minuten kam er. Die Wiedersehensfreude war sehr groß. Mittlerweile hatte er geheiratet und 2 Söhne. Er war auch ziemlich gealtert und hatte schon viele graue Haare, obwohl er höchstens 38 war. Leider konnten wir nicht lange bleiben, da wir bei Einbruch der Dunkelheit in Khartoum sein wollten. Issam wollte aber in den nächsten Tagen nach Khartoum fahren, vielleicht klappt es ja noch mit einem Wiedersehen. Jedenfalls habe ich vor 12 Jahren Bilder in das Dorf geschickt und sie sind tatsächlich angekommen.

Wir fuhren weiter, hielten noch  einmal an um Tee zu trinken und waren gegen 8 Uhr wieder zuhause. Ich duschte ausgiebig und redete danach noch mit Awads Mutter und Schwester. Nach einer Woche im Sudan sind ziemlich viele Wörter wieder zurück gekommen und ich konnte mich radebrechend unterhalten. Aber die lange Fahrt hatte mich ziemlich geschlaucht.

Am Morgen bin ich kurz vor 9 Uhr wachgeworden und duschte wieder. Awad kam gegen halb 10 und wir fuhren in die Stadt, wo wir in seinem Büro frühstückten. Ich hatte mich mit Computer und allem Zubehör bewaffnet, weil ich nach einer Woche meine Emails checken wollte, bei der Bank vorbeischauen und endlich mal wieder surfen wollte. Mit dem Handy hatte ich zwar auch Internetverbindung, aber es ist nicht dasselbe wie mit dem Computer. Leider stellte ich fest, dass ich, seit wir letzten Sommer den Server gewechselt haben, keine Emails von meinem Fistula Account verschicken konnte. Das hat mich ziemlich irritiert, aber zum Glück klappte es mit Web.de

Ich bin im Büro fast erfroren und hatte Angst mich zu erkälten. Awad schwitzt leicht und hat die Klimaanlage auf 20° eingestellt, dazu noch den Ventilator. Ich sass bibbernd im Büro und beeilte mich, mit dem Computer fertig zu werden. Draußen war es 40° warm, das kam mich danach richtig angenehm vor. Am Nachmittag verabschiedeten wir uns von Awads Freunden und fuhren zu Awads Frau und ihrer Familie. Sie wohnen in einem sehr großen Anwesen, in das Awad mit Frau und Tochter nächste Woche auch einziehen wird. Wir redeten noch ein Weilchen miteinander, es war ziemlich lustig, da ihr Englisch so gut wie mein Arabisch war.

Kurz vor 8 fuhren wir zu Bakhris Familie. Er hat 5 Kinder zwischen 22 und 12 Jahren, die alle gut Englisch sprachen und überhaupt die ganze Familie ist unglaublich nett. Bakhris Frau Chaditja kennt mich auch schon seit meiner 1. Reise. Sie wohnte damals in der Nachbarschaft und war etwa 12 Jahre alt. Die Kinder sind internetmäßig ziemlich fit und ich bin sicher, wir werden jetzt enger in Kontakt bleiben. Überhaupt habe ich auf dieser Reise viel über mein Handy gelernt. Wir blieben lange und kamen so spät nach Hause, dass Awads Mutter schon schlief und sich mitsamt meinem ganzen Gepäck eingeschlossen hatte. Deswegen musste ich im T-Shirt und quasi ungewaschen schlafen.

Bin morgens früh aufgewacht und sofort, als Awads Mutter wach war, holte ich meine Sachen und verschwand in die Dusche. Awad kam später vorbei und wir fuhren erst mal zu dem Laden in Riadh um etwas zu holen. Danach hielten wir vor einem Haus und er meinte, ich solle mitkommen. Ich war total überrascht, seine Schwester Adila wiederzusehen. Die Überraschung ist ihnen echt gelungen.

Awads ganze Familie kenne ich seit meiner ersten Sudanreise und ich war 1984 auch mit Adila in ihrer Schule, zuerst im Englischunterricht, danach im Arabischunterricht und zum Schluß in Französisch. Danach bin ich geflüchtet... Wir tranken Tee und Saft und ich begrüßte auch ihre Kinder. Mohamed ist inzwischen ein junger Mann von 19 Jahren, der mich um einen Kopf überragt und ihre jüngste Tochter, die beim letzten Mal gerade wenige Tage alt war, ist jetzt ein Teenager von 11 Jahren. Zum Glück sprachen Adilas Kinder gut Englisch.

Später verabschiedeten wir uns und trafen uns mit Hannah in einer Pizzeria. Pizza ist zurzeit das angesagte Essen in Khartoum. Am Nachmittag fuhren wir wieder ins Büro und kopierten unsere Fotos. Gegen Abend dann wieder nach Omdurman, weil wir noch bei Awads Schwester Maschair eingeladen waren zum Teetrinken. Auch sie habe ich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Inzwischen hat sie 3 Kinder und lebt mit ihrem Mann, einem Kinderarzt neben Awads Mutter. Die letzten Jahre haben sie in Saudi-Arabien gelebt und ich wußte nicht, dass sie wieder zurück waren. Den Rest des Abends verbrachte ich mit Kofferpacken.

Awad war pünktlich um 8 Uhr morgens da und holte mich ab.Seine Schwägerin fuhr auch mit zum Flughafen, da sie beide hinterher noch in einen Baumarkt wollten. Ich dachte, mein Flug sei um 11.45, aber als wir ankamen, wollte man mich nicht in den Flughafen lassen und meinte, der Flug ginge erst um 15 Uhr. Wir gingen zu Ethiopian Airlines und dort bestätigte man uns, dass es so sei. Wir überlegten, was zu tun sei. Es lohnte sich fast nicht mehr, nochmal in die Stadt zu fahren. Aber draußen waren es 38°. Awads Schwägerin rief ihre Cousine an, die im Flughafen arbeitet und sie nach mich mit nach drinnen. Es war angenehm klimatisiert und ich wartete.

Um halb 12 wurde der Check-in geöffnet. Ich stellte mich an, aber es gab ein Problem. Da ich nur bis Addis flog und nicht nach Deutschland, streikte der Computer. Und es wurde auch bemängelt, dass ich das Ticket nicht ausgedruckt hatte. Nach langem Hin-und-Her ließ man mich einchecken. Das war der 1. Schritt.

Danach musste ich ein Formular ausfüllen in 3-facher Kopie. Ich stellte mich in die Schlange und als ich an der Reihe war, sagte man mich, ich bräuchte ein Ausreisevisum und das bekäme ich gegenüber. Ich füllte aus, kopierte 3 mal – gegen Gebühr – und zahlte dann das Ausreisevisum – 35 Euro! 5 verschiedene Leute hatten meinen Pass in der Mache. Ich stellte mich wieder an, wurde aber zurück geschickt, weil noch die Marke fehlte. Also gut, Marke geholt und wieder angestellt, dann wollte er auch noch das 1. Formular, dass ich vor laute Papieren schon weggepackt hatte. Mittlerweile fand ich das Ganze zum Brüllen komisch und steckte alle anderen mit Lachen an. Ich meinte zu dem Grenzer: „Es ist nicht einfach in den Sudan einzureisen und noch schwieriger, wieder auszureisen, aber ich werde wiederkommen.“ Er wünschte mir viel Glück. Das war der 2.Schritt.

Danach wollte ich zur Handgepäckkontrolle, aber man schickte mich weg, weil es noch zu früh sei! Also wartete ich ein bisschen und reihte mich dann ein. Ich wurde gründlich gefilzt mit Bodycheck und allem drum und dran. Aber schließlich hatte ich es geschafft und saß im Flieger. Das war der 3. Schritt.

Die ganze Prozedur hat über 2 Stunden gedauert. Der Flug nur 1 Stunde und 45 Minuten. Die Einreise nach Äthiopien angenehme 15 Minuten – von der Landung bis ich mit Visum und Koffer aus dem Flughafen draußen war. Es geht doch nichts über effizientes Arbeiten.

Aber Sudan ist und bleibt mein Lieblingsland. Wir haben sehr viel gelacht in diesen 10 Tagen.










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