Freitag, 8. Oktober 2010

Äthiopien - kurz und knackig

Äthiopien 25.09. – 03.10.2010

Zur Eröffnung des Außenzentrums in Metu und der feierlichen Graduierung der ersten im Hamlin Midwifery College ausgebildeten Hebammen reisten wir zu siebt aus Deutschland an.
Außer mir waren Ramona aus Berlin, ihre Freundin Charmaine aus Norwegen, Sara aus Solingen, Christiane aus Frankfurt und Jörg und Henrike aus Gronau dabei. Wir kannten uns vorher nicht, aber es hat trotzdem gut geklappt. Ich bin ja nicht so ein Gruppenmensch.
Wir trafen uns Samstag nachmittag im Flughafen. Der Flug verlief ereignislos und wir wurden ohne Probleme durch die Einreiseformalitäten und den Zoll gewunken. Alle Gäste wurden ins Hotel gebracht, auch ich wurde von meinen Patenkindern abgeholt und wir waren froh,  lange nach Mitternacht endlich ins Bett zu kommen.
Am Sonntag schliefen wir lange und dann wanderten die anderen durch die Stadt. Addis Abeba hat sich seit meinem letzten Besuch vor über zwei Jahren extrem verändert. Es sind sehr viele neue Straßen entstanden, auch viele Hochhäuser wurden gebaut und die Stadt hat  dadurch völlig ihr Gesicht verändert.Ich kannte mich vorher ganz gut aus in Addis, aber dieses Mal war ich komplett verloren - und das, obwohl es inzwischen Wegweiser gibt.
Am späten Nachmittag waren wir im Fistula Hospital verabredet. Mark Bennett, der Geschäftsführer des Addis Abeba Fistula Hospitals, führte uns durch das Krankenhaus und erklärte uns alles. In den letzten beiden Jahren hatte sich auch hier einiges verändert. Es ist ein neuer Krankengymnastiktrakt entstanden und es wurde auch ein traditionelles Tukul gebaut, in dem die Patientinnen ihre Kaffeezeremonien abhalten  und in gewohnter Weise miteinander sprechen können.
Am Abend gab es ein Dinner mit allen Partnern, die im Laufe des Tages angereist waren, zu dem auch Dr. Catherine Hamlin erschien. Es verlief in sehr entspannter Atmosphäre. Zum Teil kannten wir uns schon von früheren Treffen, aber es gab auch ein paar neue Gesichter. Es waren Partner aus Großbritannien, der Schweiz, Australien, Neuseeland, Schweden und den Niederlanden angereist. Wir Deutschen waren dieses Mal die größte Gruppe.
Am Montagmorgen fuhren wir alle zusammen nach Desta Mender. Das „Dorf der Freude“ wie es auf Amharisch heißt, hat sich seit meinem letzten Besuch nur geringfügig verändert. Hier leben die Langzeitpatientinnen, die nicht vollständig geheilt werden konnten und ständiger ärztlicher Betreuung bedürfen. Sie alle erhalten eine Berufsausbildung und sollen nach Möglichkeit wieder in die Gesellschaft integriert werden. Im letzten Jahr ist das Juniper Cafe entstanden, wo wir auch unser Mittagessen einnahmen.
Die Hebammenschule, das Hamlin Midwifery College, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Desta Mender und hat sich seit dem letzten Mal sehr vergrößert. Es sind einige neue Klassenräume entstanden, auch die Unterkünfte der Hebammenschülerinnen wurden neu gebaut. Alles ist aufs Modernste eingerichtet und die Ausbildung der Hebammen kann sich ohne Weiteres mit dem Standard in Europa messen. Anfang September begann der vierte Jahrgang seine Ausbildung. Die Ausbildungszeit wurde vom Erziehungsministerium von drei auf vier Jahre erhöht. Alle Hebammen werden zu zweit in der Nähe der Außenzentren arbeiten und somit unmittelbar zur Prävention beitragen. Am späten Nachmittag waren wir wieder zurück in Addis Abeba und hatten den Rest des Tages zur freien Verfügung.
Am Dienstag morgen trafen wir uns um 8.30 im Krankenhaus mit unserem Gepäck, das in zwei Busse geladen wurde. Kurz nach neun Uhr fuhren wir los mit einer kurzen Rast in Welkite und kamen kurz nach drei Uhr nachmittags in Jimma an. Die Strasse bis Jimma ist jetzt durchgehend asphaltiert und sehr angenehm zu fahren. Wir bezogen unsere Zimmer im Hotel und hatten ein bisschen Zeit uns zu erholen bevor wir das Abendessen einnahmen.
Denn am Mittwoch morgen fuhren wir schon um 5.30 los. Hinter Jimma war die Straße nur zwischen den Schlaglöchern asphaltiert und wurde immer schlechter, je weiter wir uns von der Stadt entfernten. Unser Frühstück nahmen wir in Bedele ein, ich will mich nicht näher über die sanitären Verhältnisse auslassen… und kamen kurz nach zwölf in Metu an. Etwa fünf Kilometer vor der Stadt wurden wir von den Honoratioren erwartet und fuhren im Geleit zum Fistula Zentrum. Das neue Außenzentrum befindet sich – mit separatem Eingang - auf dem Gelände des „Metu Karl“ Hospitals und ähnelt in Konstruktion und Aussehen sehr stark dem Außenzentrum in Yirgalem. „Karl“ ist der große Wohltäter Äthiopiens, bei uns bekannt als Karlheinz Böhm. Er hat das Krankenhaus 2001 eingeweiht.
 Es blieben uns nur wenige Minuten um uns frisch zu machen, dann begann schon der Festakt zur Eröffnung. Es waren regionale Regierungsvertreter anwesend sowie das äthiopische Fernsehen.
Es sprachen zuerst Ato Abebe Gesit, der Verwalter der Außenzentren des Fistula Hospitals. Er berichtete über die Baukosten, die sich auf rund 500.000 Euro beliefen. Durch die weite Entfernung und die schlechten Straßen verzögerte sich die Fertigstellung um rund zehn Monate. Die Bettenkapazität liegt ähnlich wie in den anderen Außenzentren bei 40 Betten.
Ato Tibebu Abate, der Manager des Metu Außenzentrums berichtete, dass in der Region um Metu etwa sieben Millionen Menschen leben, die Hälfte davon Frauen. In den vergangenen Jahren wurden etwa 100 Patientinnen durch mobile Teams operiert und behandelt. Die Health Officers konnten in den letzten Monaten bereits 156 Patientinnen identifizieren, die auf die Behandlung warten.
Danach sprachen der Geschäftsführer Mark Bennett und der medizinische Leiter Prof. Gordon Williams. Mark Bennett betonte, wie wichtig es sei, ein Außenzentrum gerade in dieser Region zu errichten, während Prof. Williams über die desolate Situation von Gynäkologen in Äthiopien berichtete.
In diesem Land mit ähnlicher Bevölkerungszahl wie Deutschland gibt es gerade mal 165 Gynäkologen, die aber mehrheitlich in der Hauptstadt leben. Um so bedeutsamer ist es, dass für Metu zwei Gynäkologen gewonnen werden konnten. Sie arbeiten beide zur Hälfte für das Fistula Hospital und zur Hälfte im Metu Karl Hospital. So können sie die Fistelpatientinnen behandeln, aber auch ihre anderen Fähigkeiten als Gynäkologen weiter entwickeln. Dieses Prinzip wird jetzt auch in den anderen Außenzentren angewandt.
Prof. Williams betonte auch die Wichtigkeit der Krankenschwestern und Schwesterhelferinnen, die aus ehemaligen Patientinnen bestehen. Auch durch Health Officers und Healthworkers soll intensive Prävention in dieser Gegend betrieben werden. Wie bereits in den vergangenen Newsletters erwähnt, finanzieren wir zusammen mit Astellas Pharma die Ausbildung dieser Healthworker.
Dr. Catherine Hamlin nahm nicht an der Reise nach Metu teil, es wäre zu anstrengend für sie geworden, aber sie schickte ihren Sohn Richard Hamlin als Vertretung, der ein Grußwort verlas. Sie bedauerte, nicht selbst kommen zu können, aber sie sei bei uns im Geiste. Sie betonte, wie wichtig es für sie sei, gerade dieses Außenzentrum zu eröffnen, um auch Frauen in dieser Region behandeln zu können. Sie hoffe sehr, dass durch die intensive Prävention er in der Zukunft möglich sein werde, diese Fistelklinik in ein Frauen- und Geburtshilfezentrum umwandeln zu können.
Nach einer kurzen Rede des Regierungsvertreters Ato Etefa Obsa, in der er seiner Freude über die Errichtung dieses Krankenhauses Ausdruck gab, sprach noch Mr. Malcom Hewitt als Vertreter der internationalen Partner. Der Bau des Außenzentrums in Metu wurde durch Hamlin Fistula UK, Hamlin Fistula Nederland und der Women’s Hope International aus der Schweiz finanziert.
Anschließend wurde das fünfte und vorerst letzte Außenzentrum besichtigt. Es war noch nicht ganz fertig, die elektrischen und sanitären Anlagen funktionierten noch nicht reibungslos, trotzdem bin ich sehr zuversichtlich, dass die ersten Patientinnen schon in wenigen Wochen behandelt werden können. Nach den vielen Reden hatten die Leute in Metu ein opulentes Buffet mit regionalem Essen vorbereitet. Es spielte auch eine lokale Band und wir verbrachten einen wunderbaren Abend und tanzten am Ende alle zusammen.
Da es in ganz Metu kein adäquates Hotel gab und auch das Gästehaus noch nicht ganz fertig war, übernachteten wir kurzentschlossen im großen Krankensaal und testeten die Betten…
Auch die folgende Nacht war sehr kurz, um 5.30 fuhren wir in einem Rutsch durch bis Addis Abeba, nur von einer drei kurzen Pausen unterbrochen und kamen um 20 Uhr an. An diesem Abend sehnten sich alle nur noch nach einer Dusche und einem Bett.
Der Freitagvormittag war zur freien Verfügung, was viele zu einem kurzen Ausflug in die Stadt nutzten.  Ich pilgerte zur mauretanischen Botschaft und hatte 2 Stunden Zeit, ein Visum zu ergattern. Aber der Amtsschimmel wieherte laut und heftig. Sie wollten mir kein Visum geben aus allen möglichen fadenscheinigen Gründen. Angeblich brauchte ich einen "letter of invitation" sowas brauchte ich noch nie vorher. Dann hieß es, ich könne das Visum doch auch in Deutschland besorgen, da ich ja vorher nochmal dort sei. Auf meinen Einwand, dass ich in jeder Botschaft auf der ganzen Welt ein Visum beantragen kann, hieß es, dass aber soviele Äthiopier versuchten über Mauretanien nach Deutschland zu kommen. Ich meinte, das sei bei mir doch gar nicht relevant, da ich ja schon einen deutschen Pass besitze. Es ging hin und her und am Ende war ich entnervt und die Zeit lief mir davon. So ging ich dann ins Umma Hotel, wo die anderen Deutschen wohnten und checkte meine emails. Die ganze Woche über hatte ich keinen Internetzugang.
Zum Mittagessen trafen wir uns im Fistula Hospital und anschließend zu einem Meeting der internationalen Partner, sowie Vertretern der Verwaltung des Fistula Hospitals. Mark Bennett berichtete uns über die neuen Strukturen innerhalb der Verwaltung, die in den letzten Jahren notwendig geworden waren. Das Krankenhaus mit seinen fünf Außenzentren, dem Zentrum in Desta Mender und dem Hamlin Midwifery College beschäftigt inzwischen über 500 Mitarbeiter und alles muss entsprechend koordiniert werden.               
Prof. Williams erläuterte Veränderungen und Verbesserungen seit seinem Amtsantritt vor etwa zwei Jahren. Es erfordert viel Geduld und Überzeugungskraft, das Krankenhaus europäischem Standard anzupassen. Aber auch, wenn es sich noch nicht mit hiesigem Standard messen kann, zählt das Fistula Hospital zu einem der saubersten und hygienischsten Kliniken in ganz Afrika und setzt Maßstäbe.
Den Abend verbrachten wir in einem traditionellen äthiopischen Restaurant mit Musik und auch hier gingen die Gespräche weiter. Der Höhepunkt der ganzen Woche aber war der Samstagvormittag.
Wir fuhren gegen neun Uhr los nach Desta Mender, wo schon ein Festzelt für die ganzen Gäste und Angehörigen der neuen Hebammen sowie die internationalen Partner erichtet worden war. Es waren auch der äthiopische Gesundheitsminister sowie die australischen und holländischen Botschafter anwesend. Zur feierlichen Eröffnung sprach die Rektorin Jacqueline Bernhard. Sie betonte ihre Freude über die Graduierung des ersten Hebammenjahrgangs und verglich das College mit einem Orchester, in dem jeder seinen Platz habe und zum Gelingen beitrage.
Als Dr. Catherine Hamlin sprach, blieb kein Auge trocken. In ihrer ruhigen und würdevollen Art berichtete sie von ihrer großen Freude und Zufiedenheit, dieses Ereignis noch erleben zu dürfen. Vor über 50 Jahren war sie zusammen mit ihrem Mann Reginald nach Äthiopien gekommen um eine Hebammenschule zu errichten.
Und was hat sie nicht alles geschaffen. Die Ausbildung der Hebammen Äthiopiens ist nur ein letztes Puzzlestück in ihrem großen Lebenswerk. Die neuen Hebammen werden zu zweit in der unmittelbaren Nähe der Außenzentren arbeiten und neue Maßstäbe setzen, damit die Frauen Äthiopiens in Zukunft ihre Kinder mit medizinischer Betreuung zur Welt bringen können.
Nach der feierlichen Übergabe der Urkunden wanderten wir über das Gelände von Desta Mender und dem College, während das Juniper Cafe das Lunch für mehrere hundert Gäste vorbereitete. Am Nachmittag führen wir wieder nach Addis Abeba zurück und ich hatte endlich einige Stunden Zeit für meine Familie bevor wir in der Nacht wieder nach Deutschland zurück flogen.











Jetzt bin ich zuhause, habe ausgepackt und gewaschen und bin schon wieder dabei, alles für die nächste Reise vorzubereiten. In 19 Tagen geht es wieder los - und das ist dann URLAUB.