Dienstag, 30. November 2010

25.11.-29.11.2010 Saint Louis, Senegal

Die fünf Tage Senegal waren sehr erholsam, wenn auch die Hin- und Rückreise etwas beschwerlich war, d.h. typisch afrikanisch.
Statt Mittwoch sind wir erst am Donnerstag mittag losgekommen, da Willy ein Visum für den Senegal braucht und das seine Zeit brauchte. Und zwar 48 Stunden. Da mir die Idee mit Senegal ziemlich spontan gekommen war und ich kein Visum brauchte, ging ich davon aus, dass es für Willy ebenso ist. Aber wenn die Deutschen die Bürokratier erfunden haben, haben die Afrikaner sie perfektioniert.
Wir haben also am Donnerstag das Visum abgeholt und sind mit dem Taxi in den 5. Bezirk gefahren, wo die Autos nach Rosso losfahren. Da wir etwas gemütlicher reisen wollten und nicht wie die Ölsardinen, haben wir ein Auto gefunden, der nur 3 Passagiere mitnehmen wollte, das kostete aber natürlich seinen Preis. Wir haben ziemlich gehandelt, am Ende aber doch 10.000 Ouguiya bezahlt, etwa 26 Euro. Es gab die üblichen Polizeikontrollen und mein Pass wurde jedesmal ausgiebig besichtigt. Kurz vor Rosso fing auf einmal der dritte Passagier mit dem Fahrer einen Streit an und sie haben sich beinahe geklopft – und zwar während der Fahrt. Es ging irgendwie ums Geld, ich habe es nicht genau verstanden. Man spricht hier Hassaniya, einen arabischen Dialekt, das ist ungefähr so wie bairisch und hochdeutsch.
Schließlich beruhigten sie die Gemüter wieder und wir erreichten Rosso. Auf mauritanischer Seite war Mittagspause und wir mussten noch eine Stunde warten. Endlich waren die Pässe gestempelt und wir fuhren mit der Fähre über den Fluss. Rosso ist der Hauptgrenzübergang zwischen Mauretanien und Senegal, zwischen Marokko und Westafrika, aber es gibt keine Brücke und nur eine einzige Fähre, die jeweils 2 LKWs und 4-5 PKWs transportieren kann. Ab 18 Uhr ist die Grenze geschlossen und auch in der Mittagszeit von 12-15 Uhr. Die restliche Zeit ist extrem viel los und jeder will zuerst.
Auf senegalesischer Seite tauschten wir ein bisschen Geld und bei der Passkontrolle wollten sie 2.000 FCFA, ca. 3 Euro von Willy. Er weigerte sich zu bezahlen, da er ja schon für das Visum bezahlt hatte und nach einigen Diskussionen ließ man uns passieren.
Die Senegalesen sind extrem geschäftstüchtig, das hat mich schon beim letzten Mal genervt. Man wollte uns für 2.000 FCFA zum Busbahnhof bringen, am Ende sind wir mit der Pferdekutsche für 200 FCFA gefahren.
Da es schon reichlich spät war und wir noch mindestens 2 Stunden zu fahren hatten, qutschen wir uns in das nächste Taxi, 8 Leute plus Gepäck und fuhren los. Es gab auch hier wieder viele Kontrollen, hauptsächlich interessierten sich die Senegalesen für die mitgebrachten Sachen ihrer Mitbürger. Es gibt wohl ziemlich viel Schmuggel. Weder mein Pass noch mein Gepäck war jedoch von Interesse. Platzmäßig hatten wir die Arschkarten und saßen wirklich fast 3 Stunden wie die Ölsardinen. Auch in Saint Louis wollten sie viel Geld, um uns zur Ile de Saint Louis zu bringen, aber ich kannte noch den Preis vom letzten Mal.
Das Hotel unseres Reiseführers war voll, aber sie telefonierten ein bisschen rum und wir wurden ins Quai des Arts gebracht, eine Veranstaltungshalle mit Bar und einigen Fremdenzimmern, die in keinem Reiseführer verzeichnet ist. Wir handelten ein bisschen wegen des Preises, am Ende zahlten wir 13.000 FCFA für ein großes Doppelzimmer mit Bad und warmem Wasser, inklusive Frühstück. Preis/Leistung war sehr gut. Auch liegt das Quai des Arts außerhalb der Touristenzone, in der Bar kostete das Bier nur die Hälfte. Da wir den ganzen Tag nichts gegessen hatten, fanden wir noch ein Straßenrestaurant, wo es Eierbrot mit Nescafe gab.
Die Nächte in Saint Louis sind kühler als in Nouakchott und es gibt auch viel mehr Mosquitos, die sich auch von dem Ventilator nicht abschrecken ließen. Ich hatte weder daran gedacht, etwas langärmliges mitzunehmen, noch das No-Bite eingepackt.
Am nächsten Tag besichtigten wir die Ile de Saint Louis und liefen auch über die Brücke zur Langue de Barbarie. Dort gibt es einen Markt und alles ist unglaublich schmutzig, selbst für afrikanische Verhältnisse. Am Abend tranken wir Bier, eine Wohltat nach dem islamischen Mauretanien. Im Senegal sind zwar auch alle Moslems, aber wesentlich relaxter.
Samstags liefen wir zum Festland rüber, wo es so gut wie keine Touristen gibt und die Preise Normalniveau haben. Zufällig kamen wir am Fußballstadion vorbei, wo gerade ein Match lief und Willy, der wie alle Afrikaner fußballverückt ist, wollte zuschauen,
Wir sind mit dem Autobus zurückgefahren. Nachmittags kamen Wa Nsangas vorbei, die auch auf dem Weg nach Dakar waren und in Saint Louis Station machten. Wir tranken Cola zusammen und dann fuhren sie weiter. Der Sonntag war Nationalfeiertag in Mauretanien, deswegen sind wir erst Montags zurück gefahren. Am Samstag abend und auch am Sonntag tagte die Sozialistische Partei Senegals im Quai des Arts. Es waren ziemlich viele Leute gekommen, auch diverse Musiker.
Wir ließen es uns gut gehen und kehrten am Sonntag abend nochmal in die Bar ein, um ein letztes Bier zu genießen.
Die Rückfahrt war ebenso anstrengend wie die Hinfahrt. Immerhin hatten wir ein besseres Auto nach Rosso auf senegalesischer Seite, auch bessere Plätze. Aber die Senegalesen wollten wieder 2.000 FCFA von Willy. Ich mischte mich in die Diskussion ein und wurde zurecht gewiesen. Jedenfalls gab es ziemliche Diskussionen bis wir ziehen konnten ohne zu zahlen. Wir fuhren mit der Pirogge über den Fluss und kamen gerade rechtzeitig zur Mittagspause an. Man war bereit, uns bevorzugt zu behandeln gegen eine kleinen Obulus von 5.000 Ouguiya, ca. 13 Euro. Aber ich bin lange genug in Afrika unterwegs gewesen um Geduld zu lernen. So holte ich denn mein Sudokuheft raus und hatte alle Zeit der Welt, was denn auch die Grenzer etwas verblüffte. Endlich um 16.30 war es soweit und wir konnten ziehen. Willy musste eine Einreisegebühr von 2.000 Ouguiya bezahlen, ich durte kostenlos einreisen.
Wir fanden ein Auto nach Nouakchott, aber unser Fahrer war plötzlich verschwunden. Also hieß es wieder warten, als der Fahrer auftauchte, merkte Willy, dass er sein Handy verloren hatte und fing an zu suchen, jedenfalls ging es um 17.30 endlich los. Der Fahrer fur wie ein Henker mit Tempo 140 um die Schlaglöcher. Wieder gab es viele Kontrollen und jedesmal wurde mein Pass besichtigt. Auf einmal fing der Fahrer an gegen die Ausländer zu stänkern, wegen denen man immer soviel Zeit verlieren würde. Ich war ziemlich genervt. Am Stadteingang hielt er an und wollte nochmals Geld, falls wir weiterwollten, aber wir sind mit dem Taxi nach Hause gefahren.
Mit Willys Geburtsurkunde dauert es noch ein bisschen. Die Deutschen bestehen darauf, dass die Geburtsurkunde vom kongolesischen Außenministerium vorbeglaubigt wird und dann von der deutschn Botschaft in Kinshasa beglaubigt werden muss. Aber letzte Woche streikte das Außenministerium… Jedenfalls wird hier alles frühestens Mitte nächster Woche eintreffen, wenn ich wieder zurück bin. Eile mit Weile.
Jedenfalls bin ich froh, dass wir im Senegal waren, sonst hätte mich das alles extrem genervt. So sehe ich alles sehr viel gelassener.

Mittwoch, 24. November 2010

Bürokratie ohne Ende

Morgen flüchten wir nach Saint Louis. Seit ich hier bin, bin ich nur zwischen zuhause, der Botschaft und Brigitte hin- und hergependelt und das geht mir inzwischen gewaltig auf die Nerven.
Wir warten – zuerst auf Willys Pass, den er vor über einem halben Jahr beantragt und bezahlt hat. Da der Pass aber in Kinshasa ausgestellt werden musste, war es von Anfang an klar, dass es etwas dauern würde. Aber was sie mit Willy in den letzten Monaten angestellt haben, spottet jeder Beschreibung. Er hat ihm im Mai beantragt, zusammen mit seiner Geburtsurkunde. Seit August vertröstet man ihn Woche für Woche, dass der Pass in den nächsten Tagen kommen wird. Dann hieß es, eine Botschaftsmitarbeiterin, die gerade in Dakar sei, würde ihn mitbringen. Danach fuhr diese Dame aber nach Europa in Urlaub. Als ich ankam, war ich drauf und dran, nach Dakar zu fahren, um diesen verdammten Pass abzuholen.
Aber Willy rief noch mal seinen Intimfeind, den Premier Conseiller an, der gerade in Kinshasa weilt. Diese Feindschaft beruht noch aus alten Zeiten, aber dieser Herr sitzt leider am längeren Hebel und ist für den Pass zuständig. Er versprach immer, am Wochenende zurück zu kommen, aber bis jetzt ist er noch nicht aufgetaucht.
Dann hatten wir die Idee, den Pass und die Geburtsurkunde mit DHL Express schicken zu lassen. Der Spass kostete rund 70 Euro und dauerte 5 Tage. Es kam ein Umschlag mit 2 Pässen, Willys und der Pass eines anderen Botschaftsmitarbeiters. Die Geburtsurkunde fehlte aber….
Es stellte sich auch raus, dass Willys Pass schon am 10. Juni 2010 ausgestellt war, ihn aber erst am 21. November erreichte. Ich bin damit sofort zu deutschen Botschaft geflitzt und habe zumindest diese Verpflichtungserklärung ausgefüllt und den Antrag für die Aufenthaltserlaubnis mitgenommen. Die Deutschen wollen die Geburtsurkunde im Original, mit einem Stempel von kongolesischen Außenministerium und beglaubigt von der deutschen Botschaft in Kinshasa. Außerdem wollte man eine Bestätigung, dass Papa Bonga, der uns getraut hatte, überhaupt dazu berechtigt sei.
Der Premier Conseiller der Deutschen gab mir den Rat, die ganze Sache sportlich zu nehmen. Wir seien nun mal in Afrika, wo die Uhren anders ticken als in Europa. Das weiß ich zwar auch, aber am Sonntag fiel es mir schwer, diesen Rat anzunehmen. Als mir dann noch die Pfanne mit unserem Mittagessen aus der Hand rutschte und alles auf dem Fussboden landete, war ich so entnervt, dass ich nur noch plärrte.
Gestern traf die Geburtsurkunde per Email ein, aber das genügt natürlich nicht. Heute habe ich nochmals mit der deutschen Botschaft telefoniert und wir sind jetzt für nächsten Montag verabredet.
Deswegen haben wir kurzentschlossen, morgen für 3-4 Tage nach Senegal abzuhauen. Saint Louis ist von hier aus rund 300 km entfernt – plus Grenze. Das dürfte in 6-8 Stunden zu schaffen sein. Willy beantragt jetzt ein Express-Visum, ich brauche zum Glück keins.
ABER: Auch der Senegal kennt die Bürokratie und das Visum braucht 48 Stunden.....
Heute abend ruft Willy nochmal in Kinshasa an und morgen früh bezahlen wir nochmals DHL und hoffen, dass dann am Sonntag alles angekommen ist. Inzwischen bin nur froh, wenn wir vor meiner Abreise Willys Aufenthaltserlaubnis beantragen können.
Jetzt muss ich aber noch vom Metzger erzählen. Ich bin inzwischen Stammkunde in der Metzgerei. Der Metzger ist schwarz und damit meine ich nicht nur seine Hautfarbe. Auch sein T-Shirt ist schwarz und seit ich dort einkaufe, hat er es meiner Ansicht nach noch nicht gewechselt. Er kennt mich und lacht mir immer schon entgegen, wenn ich den Laden betrete. Was darf es heute sein, Madame? Wieder Fleisch für 400 Ouguiya ohne Knochen?
Wenn ich Laden betrete, halte ich unwillkürlich die Luft an. Es stinkt penetrant, viel schlimmer als der schlimmste Laden in Deutschland. In dem kleinen Laden leben auch tausende von Fliegen, die sich auf alles setzen – und wahrscheinlich auch scheißen… Seit ich hier bin, habe ich schon mehr Fleischgerichte gebrutzelt und gekocht als in den letzten 20 Jahren! Dabei sind meine Möglichkeiten in unserer provisorischen Küche sehr begrenzt.
Es amüsiert mich aber sehr, dass der Metzger mich für einen Fleischfresser hält.

Montag, 15. November 2010

meine Hochzeit und anderes

Kaum drei Wochen daheim, die extrem stressig waren, ging es endlich wieder los und dieses Mal ist es Urlaub! Die Koffer hatte ich schon lange vorher gepackt. Kurz vorher noch den Flug umgebucht und bin doch mit Air Maroc direkt bis Nouakchott geflogen, mit viel mehr Gepäck und ohne trampen. Nach dem Stress der letzten Monate wollte ich nur noch ankommen und mal nichts mehr müssen.
Der Flug und die Einreise verliefen ohne Probleme. Ich hatte dieses Mal 2 Flaschen Whisky und eine Flasche Wein dabei, ich hätte noch viel mehr mitnehmen können, denn ich wurde nicht kontrolliert. Die 7 Stunden in Casablanca waren ätzend. Der Transitbereich des Flughafens ist gähnend langweilig. Es gibt einige Duty-Free-Läden, einige Souvenirshops und ein Restaurant. Ich hatte mein Buch und mein Sudokuheft dabei und kam erst spät auf den Gedanken mir einen Film im Rechner anzugucken.
Willy hat mich abgeholt und wir sind mit dem Taxi nach Hause gefahren. Unser Zimmer liegt nicht allzuweit vom Hotel vom letzten Mal entfernt. Es besteht aus einem Zimmer, etwa 4 x 4 Meter und einem kleinen Bad. Im Zimmer gibt es eine Steckdose. Zum Glück hatte ich in letzter Minute noch einen Dreifach-Stecker eingepackt. Da hängt jetzt der kleine Kühlschrank dran und abwechselnd der Computer, und diverse andere Ladegeräte. In der Nacht auch der Ventilator. Meistens haben wir Strom. Er fällt aber alle paar Tage für einige Stunden aus.
Ansonsten wird das Zimmer von der großen Matraze dominiert. Es gibt noch einen Kleiderständer und in der Ecke ist eine Schnur gespannt, wo ich auf einigen Drahtbügeln meine Kleider aufgehängt habe. Der Rest befindet sich in Koffern. Es gibt einen kleinen wackeligen Tisch und zwei kleine Regale. In dem einen sind Willys Bücher und Papiere, in dem anderen Töpfe und Fressalien. Es gibt einen Gaskocher und zwei Kanister für Trinkwasser. Im  Vorraum tröpfelt Wasser in eine unterirdische Zisterne. Dort steht immer ein Eimer, den wir hochziehen, wenn er voll ist. Die Zisterner ist auch von einigen Kakerlaken und anderen Krabbeltieren bewohnt.
Im Bad gibt es ein Klo ohne Sitz und ohne Spülung, eine Badewanne und ein Waschbecken, dass aber nicht angeschlossen ist. Auch dort stehen zwei Eimer mit Wasser zum Waschen. Wir waschen uns in der Badewanne und spülen das Geschirr über dem Klo. Es ist aber halbwegs sauber. Wir leben hier ohne Klopapier, aber inzwischen hat Willy 2 Löffel und 2 Gabeln gekauft.
Ich werde mich nie mehr beschweren oder lustig machen, dass afrikanische Frauen Stunden mit Kochen verbringen. Unter diesen Bedingungen bin auch ich über 2 Stunden am Kochen, bis ich fertig bin. In Deutschland wäre ich in einer halben Stunde fertig gewesen. Es gibt aber nur diesen einflammigen Gaskocher, d.h. alles muss hintereinander gekocht werden. Es gibt kein Schneidebrett, um Gemüse zu zerkleinern – oder auch Fleisch zu schnippeln. Alles ist umständlicher. Das fängt schon beim Einkaufen an. Hier gibt es fast alles, was es in Deutschland auch gibt. Aber man muss es suchen und manchmal durch mehr als 10 Läden pilgern. Auch das ist zeitaufwändig. Aber Zeit habe ich ja genug.
Der Tag nach der Ankunft war ruhig. Willy hat nicht gearbeitet und ich habe die meiste Zeit geschlafen, nachdem ich 24 Stunden unterwegs gewesen war. Donnerstags abends sind wir zu Willys Freundin Brigitte gegangen. Bei ihr haben wir uns immer über Skype unterhalten und ich kannte sie schon von daher. Sie lebt in einem Wohnblock in der Ave. Kennedy. Der Fernseher dominiert das Wohnzimmer und hat mich schon beim Skypen total gestört. Hier lebt Brigitte mit ihren Töchtern und Sohn. Die genauen Familienverhältnisse haben sich mir noch nicht genau erschlossen.
Am Freitag sind wir alle zusammen zum Strand gefahren und haben dort etwas getrunken. Abends haben wir Willys Freund Aimé besucht. Auch er ist sehr nett. Er arbeitet bei der Botschaft und hat die Papiere für unsere Hochzeit vorbereitet.
Samstags ging Willy wieder arbeiten und ich fing an, mich wieder an Nouakchott zu gewöhnen. Vom letzten Mal her kannte ich noch alles. Nachdem Willy morgens um 9 Uhr gegangen ist, räume ich erst mal auf und mache ein bisschen sauber, spüle das Geschirr und wasche mich und mache meine Einkäufe. Danach beginne ich mit dem Kochen. Ich als Vegetarier bin inzwischen gut bekannt mit dem Metzger! Die Metzgerei spottet jeder Beschreibung und spätestens jetzt wäre ich Vegetarier geworden. Ich habe hier auch schon Semmelknödel à la africaine gemacht. Mit Erdnußsoße.
Willy kommt meistens zwischen 12 und 13 Uhr zurück. Wir essen und schlafen ein bisschen. Um 15 Uhr geht er wieder und ist abends je nachdem zwischen 18 und 20 Uhr zurück. Nachmittags spüle ich wieder und wasche mich danach und besuche anschließend Brigitte. Sie hat ein offenes Haus, d.h. die Wohnungstür steht immer offen und es kommen und gehen ständig Leute. Willy holt mich abends dort ab, wir schwätzen noch ein bisschen und gehen dann heim.
Am Anfang hatte ich ziemlich Probleme mit den „Nichtstun“. Die letzten Monate waren so voll von Terminen und Verpflichtungen, dass es mir schwerfällt, einfach mal nichts tun zu müssen. Andererseits ist es so heiß hier, dass man sich garnicht groß bewegen will. Tagsüber sind es über 30° und nachts auch noch über 20°. Abends nach Sonnenuntergang wird die Temperatur erträglich. Aber in unserem Zimmer ist es immer stickig und dunkel. Wir decken uns nicht zu und der Ventilator läuft, so ist es auszuhalten. Durch den Ventilator werden auch die Moskitos und Fliegen in Schach gehalten, die uns sonst nachts am Schlafen hindern würden.
Montags morgens bin ich zur deutschen Botschaft, die wie eine Festung gesichert ist. Dort musste ich den Pass abgeben, ebenso mein Handy und die Kamera, ich wurde abgetastet und die Tasche ausgeleert, bevor ich endlich rein konnte. Man drückte mir ein Merkblatt mit den Visumsbestimmungen in die Hand und ich ging wieder. Zuhause las ich mir alles durch, es war in französisch, und sah, dass ich auch eine Verpflichtungserklärung brauchte. Ich hatte vorsorglich schon alles mitgebracht. Also bin ich am nächsten Tag nochmal hin und habe mit dem premier conseillier gesprochen – wie heißt das eigentlich auf deutsch? Beim Ausfüllen der Verpflichtungserklärung brauchte ich Willys Passnummer und da begann die Krux.
Er hat seinen Pass nämlich schon vor einem halben Jahr beantragt und bezahlt, ihn aber noch nicht erhalten. Man hält ihn Woche für Woche hin und nichts passiert. Ich bin ziemlich geladen inzwischen. Für das Visum und auch für die Verpflichtungserklärung brauchen wir den Pass unbedingt. Ursprünglich hatten wir vorgehabt, zusammen zurück zu fliegen. Aber daraus wird jetzt nichts werden. Wir hoffen aber immer noch, dass es vor Weihnachten klappt.
Am Donnerstag nachmittag hatten wir einen Termin bei der kongolesischen Botschaft. Auch dort gab es ein kleines Problem. Aimé sagte uns schon vorher, dass Papa Bonga uns nicht am Freitag, dem 5.11. trauen wollte. Wir haben also mit ihm gesprochen und diskutiert. Er meinte, das Aufgebot müsse 10 Tage aushängen und er hätte es erst  am 4.11. zu Gesicht bekommen. Wir beide meinten, das könne nicht sein, da wir schon vor 2
Monaten alle Papiere geschickt hätten. Nach einigem Hin und Her gab er nach und setzte den Termin auf Freitag 12 Uhr fest.
Abends waren wir dann bei Papa und Mama Wa Nsanga, unseren Trauzeugen. Brigitte und ihre Tochter Mariam begleiteten uns. Papa Wa Nsanga spricht auch deutsch, weil er dort studiert hat. Es ist/war Professor für Bergbau und Minenwesen oder sowas ähnliches. Sie wohnen in einem großen Haus in Nouakchott, nicht allzuweit von uns entfernt. Dort sollte auch die Hochzeit stattfinden.
Brigitte und Willy waren bis dahin extrem beschäftigt, alles zu organisieren, während ich irgendwie nichts damit zu tun hatte. Ich kannte aber hier auch niemanden und wäre mit der Organisation etwas überfordert gewesen. Deswegen konnte ich alles in Ruhe auf mich zukommen lassen und von ganzem Herzen genießen.
In quasi letzter Minute hat Willy noch ein Kleid für mich organisiert. Es passte wie angegossen und war hellgrün. Für die Zeremonie in der Botschaft hat er ein hellblaues Kostüm gekauft, auch das passt wunderbar. Wir sind durch die Stadt gezogen um passende Schuhe zu finden. Jetzt ist in Nouakchott weniger die Schuhgröße das Problem, ich habe Schuhgröße 40. Aber die Mädels hier lieben hohe Hacken, 10 cm mindestens, und ich kann darin schlichtweg nicht laufen, noch nicht mal stehen, höchstens sitzen. Nach etwa 20 Läden haben wir flache Schuhe gefunden, die schön waren und passten und auch nicht zu teuer waren. Ich war fix und fertig hinterher!
Freitag morgens wurde ich dann zum Fiseur geschleift. Die Friseuse war Senegalesin. Meine Haare wurden gewaschen und gefärbt und dann mit viel Festiger gefönt und mit Glitzer bestäubt. Nebenher wurde ich noch geschminkt, manikürt und lackiert, bis ich mich selbst nicht mehr kannte. Aufgebrezelt wie ein Weihnachtsbaum. Alle fanden mich wunderschön und das war die Hauptsache. Ich fügte mich.
Wir kamen mit halbstündiger Verspätung bei der Botschaft an, aber das machte nichts, denn Papa Bonga war noch später dran. Zuerst wurde gebetet und dann schmetterten wir alle – auch ich – die mir bis dahin unbekannte kongolesische Nationalhymne. Danach wurde alles vorgelesen und ich biss mir auch die Zunge um nicht loszulachen. Es war ein bisschen wie bei der Feuerzangenbowle… Auch hatte Papa Bonga große Schwierigkeiten meinen Namen auszusprechen… Endlich wurden wir aufgerufen, mussten uns gegenüber stellen und ja sagen. Dann wurden die Ringe getauscht und wir waren plötzlich richtig verheiratet. Es folgten Glückwünsche und Fotos. Auch hat Willy einen Videomann engagiert, der alles gefilmt hat. Nach einem kleinen Umtrunk – alkoholfrei – und den letzten Fotos sind wir nach Hause gefahren und haben geschlafen um uns für den Abend vorzubereiten.
Am Abend kam Selima um mich zu schminken, wir fuhren nochmal zum Friseur um die Frisur aufzupeppen. Es war das ganz große Abend Make-up. Danach liefen wir bei Wa Nsangas ein, wo schon alle auf uns warteten. Wir wurden feierlich zu unserem Platz geleitet und bedient. Zum Glück habe ich schon mehrere afrikanische Hochzeiten hinter mir und wusste in etwa, was mich erwartet. Wir eröffneten das Buffet, dass zum Glück auch ein bisschen vegetarisch war, etwas später den Tanz und noch später schnitten wir die doppelstöckige Hochzeitstorte an. Es gab am Abend auch Alkohol zu trinken, der aus irgendwelchen Kanälen aufgetaucht war. Einige Flaschen Whisky und Rotwein, auch eine Flasche Wodka. Aber alles in allem zu wenig, um die Mannschaft betrunken zu machen. Die Feier dauerte bis in den frühen Morgen und wir alle hatten sehr viel Spass.
So langsam kenne ich auch Willys nähere Freunde. Sie sind alle sehr nett. Bei dem Fest waren wir rund 30 Personen, ich war die einzige Weiße, die anderen kamen aus mehreren afrikanischen Ländern.
Auch unser Nachbar Chris, der Herrenfriseur, war eingeladen. Ich habe schon mehrmals mit ihm gesprochen. Er kommt aus Sierra Leone und wurde durch den Bürgerkrieg hierher gespült. Er fragte mich, ob ich auch Englisch sprechen würde und war hocherfreut, sich mal endlich mit jemand auf Englisch austauschen zu können. Sein Französisch ist in etwa so gut wie meins.
Was die Zeit angeht, merke ich, dass ich trotz aller Bemühungen doch sehr deutsch geprägt bin. Letzte Woche wollte ich gerade anfangen zu kochen, als Willy anrief, er käme sofort und wir müssten in die Botschaft. Also ließ ich alles stehen und liegen und wartete. Sofort dauerte über eine Stunde… Einige Tage später war Willy unterwegs bei Aimé und wollte sich beeilen. Also fing ich an zu kochen und smste, als ich fertig war. Dann wartete ich…. Eine Stunde später rief Willy an, er würde sich beeilen… Zwei Stunden später, es war mittlerweile 21.00 Uhr, hatte ich genug und ging spazieren. Ich smste Willy und dieses Mal dauerte es nur 5 Minuten, bis er zuhause war. Ich weiß zwar, dass der Zeitbegriff hier sehr frei ausgelegt wird  und bemühe mich, dem gerecht zu werden, aber manchmal schaffe ich es nicht ganz.
Nouakchott ist eine Wüstenstadt. Alle größeren Straßen sind asphaltiert, aber bis auf die Hauptstraßen von einer dicken Sandschicht bedeckt. Letzten Freitag haben wir einen Ausflug in die Wüste gemacht und dort gepicknickt. Es dauerte ziemlich lange bis wir endlich losfuhren, statt 10.30 war es dann 16.30, aber es hat sich gelohnt. Wir fuhren einige Kilometer außerhalb der Stadt. Abgesehen davon, dass das Essen ziemlich nach Sand schmeckte, war es trotzdem sehr lustig. Direkt neben unserem Picknickplatz war eine Wanderdüne, die wir anschließend erkletterten. Nach einiger Zeit kamen einige kleine Jungs und fingen an, auf Plastikkanistern die Dünen runterzurodeln. Das machten wir auch und es war total lustig. Die Abfahrt war relativ kurz, der Anstieg umso steiler. Abends waren wir voller Sand, die bis in die letzten Ritzen drang, aber es war klasse. Auf Sand funktioniert es genauso gut wie auf Schnee.
 

Montag, 1. November 2010

nouakchott zum dritten

ich kam donnerstag morgen hier an. deutschland war kühl und ungemütlich, casablanca schon ein bisschen wärmer, aber über 7 stunden dort war schon heftig, trotz buch sudokuheft und film glotzen im rechner. in nouakchott lief die pass und zollkontrolle problemlos und als ich aus dem flughafen kam, hat mich die hitze fast erschlagen. um 4 uhr morgens war es locker über 20° und ich fing sofort an, meine klamotten abzuschmeissen.

willy hat mich abgeholt und wir fuhren zu unserer wohnung. sie ist in der nähe der französischen botschaft und in nouakchott kenne ich mich mittlerweile ziemlich gut aus. die wohnung ist ziemlich basic, ein zimmer und ein badezimmer, alles mit eimerwäsche ohne fliessendes wasser, aber der strom ist erst einmal ausgefallen. aber wir leben auch ohne besteck oder klopapier.

am freitag waren wir bei brigitte und familie, willys freunde. wir sind nachmittags zum strand gefahren. schwimmen war nicht, ich hatte keinen badeanzug dabei und frauen schwimmen hier nicht öffentlich. am samstag haben wir willys freund aimé besucht.

das leben läuft hier langsamer.dafür sorgt schon die hitze. willy geht morgens zur arbeit, ich räume ein bisschen auf und beginne dann zu kochen. die küche ist auch afrikanisch. alles spielt sich auf dem fussboden ab, es gibt kein schneidebrett oder sonstige geeignete materialien. es muss alles improvisiert werden und es gibt auch nur einen gaskocher, einen sehr biegsamen löffel und mehrere scharfe küchenmesser, die ich mitgebacht habe. willy kommt gegen mittag und wir essen. gegen 3 geht er wieder zur arbeit und kommt zwischen 6 und 8 wieder heim.

heute war ich bei der deutschen botschaft. sie ist gesichert wie eine festung. ich gab mich als deutsche zu erkennen und mir wurde sofort geöffnet. ABER: drinnen musste ich erstmal pass, handy und foto abgeben, die tasche ausleeren und wurde gründlich abgetastet. der einzige deutsche, den ich gesehen habe, roch schon von weitem nach MAD, das restliche personal war mauritanisch und sprach nur französisch. ich erklärte mein vorhaben und erhielt einen zettel mit infos für willys visum. ich hoffe, wir kriegen alles gebacken in den nächsten 5 wochen.

es tut gut, nach dem stress der letzten wochen, wieder auf normal runterzuschalten. zwangsläufig.

bis zum nächsten mal

jutta