Kaum drei Wochen daheim, die extrem stressig waren, ging es endlich wieder los und dieses Mal ist es Urlaub! Die Koffer hatte ich schon lange vorher gepackt. Kurz vorher noch den Flug umgebucht und bin doch mit Air Maroc direkt bis Nouakchott geflogen, mit viel mehr Gepäck und ohne trampen. Nach dem Stress der letzten Monate wollte ich nur noch ankommen und mal nichts mehr müssen.
Der Flug und die Einreise verliefen ohne Probleme. Ich hatte dieses Mal 2 Flaschen Whisky und eine Flasche Wein dabei, ich hätte noch viel mehr mitnehmen können, denn ich wurde nicht kontrolliert. Die 7 Stunden in Casablanca waren ätzend. Der Transitbereich des Flughafens ist gähnend langweilig. Es gibt einige Duty-Free-Läden, einige Souvenirshops und ein Restaurant. Ich hatte mein Buch und mein Sudokuheft dabei und kam erst spät auf den Gedanken mir einen Film im Rechner anzugucken.
Willy hat mich abgeholt und wir sind mit dem Taxi nach Hause gefahren. Unser Zimmer liegt nicht allzuweit vom Hotel vom letzten Mal entfernt. Es besteht aus einem Zimmer, etwa 4 x 4 Meter und einem kleinen Bad. Im Zimmer gibt es eine Steckdose. Zum Glück hatte ich in letzter Minute noch einen Dreifach-Stecker eingepackt. Da hängt jetzt der kleine Kühlschrank dran und abwechselnd der Computer, und diverse andere Ladegeräte. In der Nacht auch der Ventilator. Meistens haben wir Strom. Er fällt aber alle paar Tage für einige Stunden aus.
Ansonsten wird das Zimmer von der großen Matraze dominiert. Es gibt noch einen Kleiderständer und in der Ecke ist eine Schnur gespannt, wo ich auf einigen Drahtbügeln meine Kleider aufgehängt habe. Der Rest befindet sich in Koffern. Es gibt einen kleinen wackeligen Tisch und zwei kleine Regale. In dem einen sind Willys Bücher und Papiere, in dem anderen Töpfe und Fressalien. Es gibt einen Gaskocher und zwei Kanister für Trinkwasser. Im Vorraum tröpfelt Wasser in eine unterirdische Zisterne. Dort steht immer ein Eimer, den wir hochziehen, wenn er voll ist. Die Zisterner ist auch von einigen Kakerlaken und anderen Krabbeltieren bewohnt.
Im Bad gibt es ein Klo ohne Sitz und ohne Spülung, eine Badewanne und ein Waschbecken, dass aber nicht angeschlossen ist. Auch dort stehen zwei Eimer mit Wasser zum Waschen. Wir waschen uns in der Badewanne und spülen das Geschirr über dem Klo. Es ist aber halbwegs sauber. Wir leben hier ohne Klopapier, aber inzwischen hat Willy 2 Löffel und 2 Gabeln gekauft.
Ich werde mich nie mehr beschweren oder lustig machen, dass afrikanische Frauen Stunden mit Kochen verbringen. Unter diesen Bedingungen bin auch ich über 2 Stunden am Kochen, bis ich fertig bin. In Deutschland wäre ich in einer halben Stunde fertig gewesen. Es gibt aber nur diesen einflammigen Gaskocher, d.h. alles muss hintereinander gekocht werden. Es gibt kein Schneidebrett, um Gemüse zu zerkleinern – oder auch Fleisch zu schnippeln. Alles ist umständlicher. Das fängt schon beim Einkaufen an. Hier gibt es fast alles, was es in Deutschland auch gibt. Aber man muss es suchen und manchmal durch mehr als 10 Läden pilgern. Auch das ist zeitaufwändig. Aber Zeit habe ich ja genug.
Der Tag nach der Ankunft war ruhig. Willy hat nicht gearbeitet und ich habe die meiste Zeit geschlafen, nachdem ich 24 Stunden unterwegs gewesen war. Donnerstags abends sind wir zu Willys Freundin Brigitte gegangen. Bei ihr haben wir uns immer über Skype unterhalten und ich kannte sie schon von daher. Sie lebt in einem Wohnblock in der Ave. Kennedy. Der Fernseher dominiert das Wohnzimmer und hat mich schon beim Skypen total gestört. Hier lebt Brigitte mit ihren Töchtern und Sohn. Die genauen Familienverhältnisse haben sich mir noch nicht genau erschlossen.
Am Freitag sind wir alle zusammen zum Strand gefahren und haben dort etwas getrunken. Abends haben wir Willys Freund Aimé besucht. Auch er ist sehr nett. Er arbeitet bei der Botschaft und hat die Papiere für unsere Hochzeit vorbereitet.
Samstags ging Willy wieder arbeiten und ich fing an, mich wieder an Nouakchott zu gewöhnen. Vom letzten Mal her kannte ich noch alles. Nachdem Willy morgens um 9 Uhr gegangen ist, räume ich erst mal auf und mache ein bisschen sauber, spüle das Geschirr und wasche mich und mache meine Einkäufe. Danach beginne ich mit dem Kochen. Ich als Vegetarier bin inzwischen gut bekannt mit dem Metzger! Die Metzgerei spottet jeder Beschreibung und spätestens jetzt wäre ich Vegetarier geworden. Ich habe hier auch schon Semmelknödel à la africaine gemacht. Mit Erdnußsoße.
Willy kommt meistens zwischen 12 und 13 Uhr zurück. Wir essen und schlafen ein bisschen. Um 15 Uhr geht er wieder und ist abends je nachdem zwischen 18 und 20 Uhr zurück. Nachmittags spüle ich wieder und wasche mich danach und besuche anschließend Brigitte. Sie hat ein offenes Haus, d.h. die Wohnungstür steht immer offen und es kommen und gehen ständig Leute. Willy holt mich abends dort ab, wir schwätzen noch ein bisschen und gehen dann heim.
Am Anfang hatte ich ziemlich Probleme mit den „Nichtstun“. Die letzten Monate waren so voll von Terminen und Verpflichtungen, dass es mir schwerfällt, einfach mal nichts tun zu müssen. Andererseits ist es so heiß hier, dass man sich garnicht groß bewegen will. Tagsüber sind es über 30° und nachts auch noch über 20°. Abends nach Sonnenuntergang wird die Temperatur erträglich. Aber in unserem Zimmer ist es immer stickig und dunkel. Wir decken uns nicht zu und der Ventilator läuft, so ist es auszuhalten. Durch den Ventilator werden auch die Moskitos und Fliegen in Schach gehalten, die uns sonst nachts am Schlafen hindern würden.
Montags morgens bin ich zur deutschen Botschaft, die wie eine Festung gesichert ist. Dort musste ich den Pass abgeben, ebenso mein Handy und die Kamera, ich wurde abgetastet und die Tasche ausgeleert, bevor ich endlich rein konnte. Man drückte mir ein Merkblatt mit den Visumsbestimmungen in die Hand und ich ging wieder. Zuhause las ich mir alles durch, es war in französisch, und sah, dass ich auch eine Verpflichtungserklärung brauchte. Ich hatte vorsorglich schon alles mitgebracht. Also bin ich am nächsten Tag nochmal hin und habe mit dem premier conseillier gesprochen – wie heißt das eigentlich auf deutsch? Beim Ausfüllen der Verpflichtungserklärung brauchte ich Willys Passnummer und da begann die Krux.
Er hat seinen Pass nämlich schon vor einem halben Jahr beantragt und bezahlt, ihn aber noch nicht erhalten. Man hält ihn Woche für Woche hin und nichts passiert. Ich bin ziemlich geladen inzwischen. Für das Visum und auch für die Verpflichtungserklärung brauchen wir den Pass unbedingt. Ursprünglich hatten wir vorgehabt, zusammen zurück zu fliegen. Aber daraus wird jetzt nichts werden. Wir hoffen aber immer noch, dass es vor Weihnachten klappt. Am Donnerstag nachmittag hatten wir einen Termin bei der kongolesischen Botschaft. Auch dort gab es ein kleines Problem. Aimé sagte uns schon vorher, dass Papa Bonga uns nicht am Freitag, dem 5.11. trauen wollte. Wir haben also mit ihm gesprochen und diskutiert. Er meinte, das Aufgebot müsse 10 Tage aushängen und er hätte es erst am 4.11. zu Gesicht bekommen. Wir beide meinten, das könne nicht sein, da wir schon vor 2
Monaten alle Papiere geschickt hätten. Nach einigem Hin und Her gab er nach und setzte den Termin auf Freitag 12 Uhr fest.
Abends waren wir dann bei Papa und Mama Wa Nsanga, unseren Trauzeugen. Brigitte und ihre Tochter Mariam begleiteten uns. Papa Wa Nsanga spricht auch deutsch, weil er dort studiert hat. Es ist/war Professor für Bergbau und Minenwesen oder sowas ähnliches. Sie wohnen in einem großen Haus in Nouakchott, nicht allzuweit von uns entfernt. Dort sollte auch die Hochzeit stattfinden.
Brigitte und Willy waren bis dahin extrem beschäftigt, alles zu organisieren, während ich irgendwie nichts damit zu tun hatte. Ich kannte aber hier auch niemanden und wäre mit der Organisation etwas überfordert gewesen. Deswegen konnte ich alles in Ruhe auf mich zukommen lassen und von ganzem Herzen genießen.
In quasi letzter Minute hat Willy noch ein Kleid für mich organisiert. Es passte wie angegossen und war hellgrün. Für die Zeremonie in der Botschaft hat er ein hellblaues Kostüm gekauft, auch das passt wunderbar. Wir sind durch die Stadt gezogen um passende Schuhe zu finden. Jetzt ist in Nouakchott weniger die Schuhgröße das Problem, ich habe Schuhgröße 40. Aber die Mädels hier lieben hohe Hacken, 10 cm mindestens, und ich kann darin schlichtweg nicht laufen, noch nicht mal stehen, höchstens sitzen. Nach etwa 20 Läden haben wir flache Schuhe gefunden, die schön waren und passten und auch nicht zu teuer waren. Ich war fix und fertig hinterher! Freitag morgens wurde ich dann zum Fiseur geschleift. Die Friseuse war Senegalesin. Meine Haare wurden gewaschen und gefärbt und dann mit viel Festiger gefönt und mit Glitzer bestäubt. Nebenher wurde ich noch geschminkt, manikürt und lackiert, bis ich mich selbst nicht mehr kannte. Aufgebrezelt wie ein Weihnachtsbaum. Alle fanden mich wunderschön und das war die Hauptsache. Ich fügte mich.
Wir kamen mit halbstündiger Verspätung bei der Botschaft an, aber das machte nichts, denn Papa Bonga war noch später dran. Zuerst wurde gebetet und dann schmetterten wir alle – auch ich – die mir bis dahin unbekannte kongolesische Nationalhymne. Danach wurde alles vorgelesen und ich biss mir auch die Zunge um nicht loszulachen. Es war ein bisschen wie bei der Feuerzangenbowle… Auch hatte Papa Bonga große Schwierigkeiten meinen Namen auszusprechen… Endlich wurden wir aufgerufen, mussten uns gegenüber stellen und ja sagen. Dann wurden die Ringe getauscht und wir waren plötzlich richtig verheiratet. Es folgten Glückwünsche und Fotos. Auch hat Willy einen Videomann engagiert, der alles gefilmt hat. Nach einem kleinen Umtrunk – alkoholfrei – und den letzten Fotos sind wir nach Hause gefahren und haben geschlafen um uns für den Abend vorzubereiten. Am Abend kam Selima um mich zu schminken, wir fuhren nochmal zum Friseur um die Frisur aufzupeppen. Es war das ganz große Abend Make-up. Danach liefen wir bei Wa Nsangas ein, wo schon alle auf uns warteten. Wir wurden feierlich zu unserem Platz geleitet und bedient. Zum Glück habe ich schon mehrere afrikanische Hochzeiten hinter mir und wusste in etwa, was mich erwartet. Wir eröffneten das Buffet, dass zum Glück auch ein bisschen vegetarisch war, etwas später den Tanz und noch später schnitten wir die doppelstöckige Hochzeitstorte an. Es gab am Abend auch Alkohol zu trinken, der aus irgendwelchen Kanälen aufgetaucht war. Einige Flaschen Whisky und Rotwein, auch eine Flasche Wodka. Aber alles in allem zu wenig, um die Mannschaft betrunken zu machen. Die Feier dauerte bis in den frühen Morgen und wir alle hatten sehr viel Spass. So langsam kenne ich auch Willys nähere Freunde. Sie sind alle sehr nett. Bei dem Fest waren wir rund 30 Personen, ich war die einzige Weiße, die anderen kamen aus mehreren afrikanischen Ländern. Auch unser Nachbar Chris, der Herrenfriseur, war eingeladen. Ich habe schon mehrmals mit ihm gesprochen. Er kommt aus Sierra Leone und wurde durch den Bürgerkrieg hierher gespült. Er fragte mich, ob ich auch Englisch sprechen würde und war hocherfreut, sich mal endlich mit jemand auf Englisch austauschen zu können. Sein Französisch ist in etwa so gut wie meins.
Was die Zeit angeht, merke ich, dass ich trotz aller Bemühungen doch sehr deutsch geprägt bin. Letzte Woche wollte ich gerade anfangen zu kochen, als Willy anrief, er käme sofort und wir müssten in die Botschaft. Also ließ ich alles stehen und liegen und wartete. Sofort dauerte über eine Stunde… Einige Tage später war Willy unterwegs bei Aimé und wollte sich beeilen. Also fing ich an zu kochen und smste, als ich fertig war. Dann wartete ich…. Eine Stunde später rief Willy an, er würde sich beeilen… Zwei Stunden später, es war mittlerweile 21.00 Uhr, hatte ich genug und ging spazieren. Ich smste Willy und dieses Mal dauerte es nur 5 Minuten, bis er zuhause war. Ich weiß zwar, dass der Zeitbegriff hier sehr frei ausgelegt wird und bemühe mich, dem gerecht zu werden, aber manchmal schaffe ich es nicht ganz.
Nouakchott ist eine Wüstenstadt. Alle größeren Straßen sind asphaltiert, aber bis auf die Hauptstraßen von einer dicken Sandschicht bedeckt. Letzten Freitag haben wir einen Ausflug in die Wüste gemacht und dort gepicknickt. Es dauerte ziemlich lange bis wir endlich losfuhren, statt 10.30 war es dann 16.30, aber es hat sich gelohnt. Wir fuhren einige Kilometer außerhalb der Stadt. Abgesehen davon, dass das Essen ziemlich nach Sand schmeckte, war es trotzdem sehr lustig. Direkt neben unserem Picknickplatz war eine Wanderdüne, die wir anschließend erkletterten. Nach einiger Zeit kamen einige kleine Jungs und fingen an, auf Plastikkanistern die Dünen runterzurodeln. Das machten wir auch und es war total lustig. Die Abfahrt war relativ kurz, der Anstieg umso steiler. Abends waren wir voller Sand, die bis in die letzten Ritzen drang, aber es war klasse. Auf Sand funktioniert es genauso gut wie auf Schnee.