Sudan
2014 1.-11.3.2014
Für die Einreise in mein Lieblingsland legten mir
die Sudanesen dieses Mal diverse Stolpersteine in den Weg. Nicht nur, dass man
jetzt auch eine Einladung oder Hotelbuchung vorzeigen muss, auch das Visum
dauerte 5 Wochen und diverse Telefonate. Als ich schon ziemlich nervös wurde
kam endlich der Pass noch rechtzeitig an. Der Flug nach Addis war problemlos
und von der Landung des Fliegers bis ich aus dem Flughafen draußen war dauerte
es nur 30 Minuten. Die Äthiopier arbeiten immer effizienter, aber wir waren
auch das einzige Flugzeug, das gerade gelandet war.
Ich rief meinen Sohn Bekalu an, der noch schlief.
Am Tag zuvor meinte ich noch, es würde bestimmt 8 Uhr werden, bis ich mit allem
fertig sei, jetzt war es schon um halb sieben soweit. Da ich nicht im
Flughafengebäude warten wollte, ging ich ihnen mit meinen Koffern entgegen,
begafft von allen anderen und von Hunderten von Taxifahrern angemacht, die mich
nach Hause bingen wollten. Nach knapp einer Stunde trafen Bekalus Frau Azeb und
seine Schwester Bezuayehu ein.
Wir fuhren nach Hause und frühstückten erst mal, die
Kinder waren schon wach, auch Bekalu war schon in Geschäften unterwegs. Er traf
aber kurz nach uns ein und Azeb und er mussten auch gleich wieder los. Sie
wollen nämlich ein neues Haus bauen und mussten den Baufortschritt begutachten.
Ich entschied mich, nicht mitzufahren
sondern legte mich lieber eine Stunde hin. Ich Flugzeug habe ich zwar
geschlafen, aber es war im Sitzen nicht sonderlich bequem. Danach sortierte ich
mein Gepäck und duschte. Bekalu kam um 2 Uhr zurück und brachte mich wieder zum
Flughafen.
Der Flieger nach Khartoum war wesentlich kleiner,
eine Propellermaschine und voll mit Chinesen. Der Flug dauerte knapp eineinhalb
Stunden und die Einreise in den Sudan war wesentlich bürokratischer. Erst mal
musste man ein Einreiseformular ergattern, da aber gleichzeitig noch eine
Maschine gelandet war, gestaltete sich dies schwierig. Als ich es endlich
geschafft und mich eingereiht hatte, machte man mich darauf aufmerksam, dass
ich in der falschen Schlange anstand. Als ich bis zum Schalter vorgedrungen
war, war die Dame bei der Passkontrolle sehr freundlich und schaute gar nicht,
was ich in meinem Formular geschrieben hatte, sondern stempelte es ab und
wünschte mir eine gute Zeit. Da die Passkontrolle so lange gedauert hat, stand
mein Koffer zum Glück schon da. Es gab wieder großes Gedränge beim Zoll, bis
ich meinte, in meinem kleinen Köfferchen könnte ich ja kaum was schmuggeln und
man ließ mich ziehen. Diese Einreise hat fast 2 Stunden gedauert.
Awad wartete schon ungeduldig und wir erkannten uns
sofort wieder. Wir hatten uns seit 5 oder 6 Jahren nicht mehr gesehen, er war
ein bisschen älter und runder geworden, aber das Gleiche kann man von mir ja
auch sagen. Wir fuhren durch die Stadt zu seinem Laden und danach in ein
Restaurant, dass sehr gut war, mit europäischer Küche und angenehmer
Atmosphäre. Nach dem Essen fuhren wir kurz bei Awads Frau und Tochter vorbei um
Hallo zu sagen und danach zu seiner Mutter. Sein Vater ist vor einigen Jahren
gestorben, aber seine Mutter ist jetzt Mitte siebzig und in guter Verfassung.
Auch sein Bruder Gindil und seine Schwester Eshrara kamen kurz vorbei. Aber als
das Bett in greifbarer Nähe war, wurde ich aber schlagartig todmüde, denn ich
war jetzt sein fast 40 Stunden wach, wenn man den Flugzeugschlaf und die Stunde
in Addis nicht mitzählt. Es gab eine kurze Diskussion, ob ich im Hof schlafe
oder im Zimmer. Im Hof war es noch ziemlich warm, so um die 35°, deswegen
entschied ich mich für das klimatisierte Zimmer, obwohl ich die Klimaanlage
schon kurz danach abstellte, zu laut und zu kalt. Ich schlief sofort tief und
fest.
Am nächsten Morgen war ich frisch und munter und um
8 Uhr ausgeschlafen. Awad wollte um 9 zum Frühstück kommen. Ich duschte kalt
und trank schon mal Tee. Awad und Gindil trafen wenige Zeit später mit Brot und
meinem Lieblingskäse ein. Diesen Käse, den ich Darmverschlingung getauft habe,
habe ich zum ersten Mal 1982 in Khartoum gesehen. Später habe ich ihn in
Istanbul gefunden und seit einigen Jahren gibt es ihn auch im türkischen
Supermarkt in Bruchsal. Wir tranken noch mehr Tee, aßen frische Limonen direkt
vom Baum und fuhren danach in die Stadt zum Ausländeramt um für mich eine
Reiseerlaubnis für Port Sudan zu holen. Aber das war nicht so einfach. Wir
wurden von Pontius zu Pilatus geschickt und es gab keine Formulare, erst als Awad
ein bisschen Geld locker machte, lief es wie am Schnürchen. Wir mussten alles 3
mal kopieren, meinen Pass, das Visum und das Formular, dann gaben wir es ab und
der Polizist wollte sich melden, wenn es fertig sei. Ich war die einzige
westliche Ausländerin.
Danach fuhren wir in Awads Laden und das Büro, wo
auch noch andere Freunde von Awad waren, alle deutschsprachig. Überhaupt schien
der Laden der Treffpunkt der deutschen Sudanesen zu sein. Awad und ich haben
uns 1982 kennengelernt und sind seitdem in Kontakt. Er hat fast 20 Jahre in
Deutschland gelebt und ist vor einigen Jahren wieder in den Sudan
zurückgekehrt. In Khartoum hat er 2 Läden in einer noblen Gegend mit vielen
Villen. Dort verkauft er Parfüm, Weihrauch und allerlei andere Wohlgerüche. Die
Geschäfte laufen sehr gut. Vor kurzem kam noch ein Laden mit sudanesischem
Kunsthandwerk und Gemälden dazu. Dort traf ich auch Bakhri wieder, den ich
schon genauso lange kenne wie Awad. 1982 bei meiner 1. Reise haben wir uns
getroffen, die Kommunikation war ein bisschen schwierig, da Bakhri kein
Englisch spricht, aber er ist ein sehr netter Mensch, freundlich und
warmherzig.
Gegen 4 Uhr rief der Polizist an und wir holten das
Formular ab. Eigentlich wollte Awad am nächsten Tag starten, aber er meinte,
vor der langen Fahrt wollte er gerne nochmal das Auto überprüfen lassen und wir
einigten uns darauf, lieber einen Tag später zu starten. Abends fuhren wir in
eine Hähnchenbraterei, wo es für mich Suppe und Salat gab. Danach besuchten wir
die Familie von Awads Frau und aßen dort noch Wassermelonen, für die es zur
Zeit Hochsaison ist. Mit dem Arabisch ist es mühsam. Ich verstehe es
einigermaßen, aber mit dem Sprechen tue ich mich noch sehr schwer.
Gegen 10 waren wir zuhause und vereinbarten, dass
mich Gindil am nächsten Tag mit in die Stadt nimmt und mir vor allem eine
sudanesische Simcard besorgt. Ich war ziemlich groggy und bin nach einer Dusche
gleich ins Bett gefallen. In der Nacht wachte ich auf, weil es heftig regnete –
völlig außerhalb der Regenzeit. Danach konnte ich erst mal stundenlang nicht
mehr schlafen. Zuviele Eindrücke gingen mir im Kopf rum.
Am nächsten Morgen war ich wie gerädert und bin
erst um 9 Uhr aufgewacht. Auch durch die Dusche nicht viel wacher geworden.
Gindil kam um 10 und wir kauften die Simcard und etwas Telefonkredit. Die Leute
der Telefongesellschaft öffneten auch mein Handy, damit ich die Karte einlegen
konnte. Es war um 10 Uhr schon 38° warm und ich war plötzlich gar nicht mehr so
scharf drauf alleine bei der Hitze durch die Stadt zu laufen. Khartoum hat sich
seit dem letzten Mal sehr verändert. Es ist viel größer geworden und das
Stadtzentrum ist nicht mehr wiederzuerkennen. Vor 30 Jahren war es noch wie ein
großes Dorf mit wenigen Steinhäusern, die aus der Kolonialzeit stammten, ein
Villenviertel direkt am Nil. In der Stadt gab es einige wenige Villen, sonst
nur Lehmbauten und jetzt ist das Zentrum dicht bebaut mit hohen Häusern. Am Nil
gibt es ein 5-Sterne-Hotel, von Ghaddafi erbaut in Eiform, dass hier nur Ghaddafis
Ei genannt wird. In der Stadt ist Dauerstau, auch über die Nilbrücken kommt man
nur quälend langsam. Wir fuhren zu VW und trafen dort Awad, mit dem ich dann
weitergefahren bin. Wir holten Hannah ab, eine Freundin von Awad und gingen in
ein gutes türkisches Restaurant essen. Hannah sprach gut English und wir hatten
uns einiges zu erzählen.
Nach dem Essen besuchten wir einen Künstler, Ahmed,
der auch schon in Europa ausgestellt hat und gut von seiner Arbeit leben kann.
Seine Bilder gefielen mir fast alle sehr gut. Das Haus war voller Bücher. Danach
fuhren wir wieder in den Laden, wo noch mehr deutschsprachige Sudanesen
eingetroffen waren. Alle haben damals in Deutschland studiert und leben jetzt
wieder im Sudan.
Am späten Nachmittag wollte Awad noch 2 Reifen
wechseln, was sich im Nachhinein auch als sehr gut herausstellte, denn sie
waren schon arg hinüber. Danach gingen wir Abendessen in einem schicken
Restaurant in Omdurman, das direkt am Nil liegt. Es gibt dort sudanesische und
mongolische Küche. Ich wählte Ful und Falafel, mein sudanesisches
Lieblingsessen. Dieses Restaurant heißt Al Hosh (der Hof) und ist neu erbaut
mit schönem Ambiente. Dort war auch eine tief verschleierte Frau und ich
überlegte, wie sie mit Schleier essen würde. Ich fragte Awad und wir frozzelten
darüber. Sudanesische Frauen sind normalerweise nicht verschleiert, sondern
tragen einen „Tobe“, der einem indischen Sari ähnelt. Es sieht sehr elegant
aus, aber man muss damit aufgewachsen sein, um sich elegant damit bewegen zu
können. Ich musste mir immer krampfhaft alles zusammen halten, damit ich nicht
plötzlich im Freien stand. Auf dem Nachhauseweg erstand Awad noch eine riesige
Wassermelone, die wir gleich mit Awads Mutter und Schwester verspeisten. Ich
duschte und packte meinen kleinen Rucksack für die Reise.
|
Raststätte an der Hauptstraße Khartoum - Atbara |
Ich hatte mir den Wecker auf 5 gestellt. In der
Nacht regnete es wieder. Awad kam mit Bakhri um 6 Uhr vorbei und dann ging es
los. Es war noch stockdunkel und wenig Verkehr. Omdurman zog sich ewig hin. Die
Stadt ist in den letzten Jahrzehnten mehr in die Breite gewachsen und um sie zu
durchqueren muss man schon 80 km fahren. Am Nordende gab es eine neue Brücke
und wir erreichten die Straße nach Atbara. Bei meiner ersten Reise war ich
schon mal in Atbara gewesen, es liegt ungefähr 400 km nördlich von Khartoum.
Als es schließlich hell war, frühstückten wir in
einer „Raststätte“, Shai Laban (Milchtee) und Krapfen. Im Sudan ist alles
entweder extrem süß oder extrem scharf und wir kämpften immer, damit wir den
Tee nur mit einem Teelöffel Zucker bekamen statt mit 5 oder 6 Esslöffeln. Es
war ziemlich viel Verkehr, vor allem von großen Lastwagen und Autobussen, die
sich in teilweise halsbrecherischer Manier überholten. Die Straße verläuft
schnurgerade und das verleitet natürlich zum Überholen. Entgegenkommende
Fahrzeuge kann man entfernungsmäßig schlecht abschätzen. In Atbara machten wir
kurz Station um einen alten Freund von Awad und Bakhri zu besuchen, der jetzt
mit seiner Familie dort lebt und als Straßenbauingenieur arbeitet. Die Stadt
ist sehr gewachsen und wird von einem riesigen Betonwerk dominiert. Es staubte
ziemlich und das kann ja nicht gerade sehr gesund sein. Bald fuhren wir weiter
Richtung Port Sudan auf der neuen Asphaltstraße. Der Verkehr hinter Atbara ließ
deutlich nach.
Das nächste Problem war jetzt Benzin. Awad wollte
eigentlich in Atbara tanken, aber vor lauter Reden hatte er nicht mehr dran
gedacht. Nach etwa 80-90 km kam eine Tankstelle, aber sie hatten nur Diesel.
Man sagte uns, die nächste Tankstelle sei 60 km weiter und wir hofften, dass
der Sprit reichen würde. Tatsächlich kamen wir mit dem letzten Tropfen dort an.
Die Strecke Atbara – Port Sudan ist etwa 400 km lang und es gibt nur wenige
Dörfer und Tankstellen. Irgendwann gabelte sich die Straße und dort lag ein großer
Rasthof und Tankstelle, wo wir Tee tranken.
|
Mohamed Ahmed |
Danach war es nicht mehr weit bis wir auf die
Straße nach Arkawit abbogen. Zu Kolonialzeiten war dort ein Militärcamp, von wo
aus die Briten im 2. Weltkrieg gegen die
Italiener in Eritrea kämpften. Es war nur noch ein großes Tor übrig. Wir fuhren
etwa 20 km weiter Richtung Berge. Die Landschaft änderte sich dramatisch. Die
Asphaltstraße führte durch flache eintönige Landschaft, viel Sand, Geröll und
wenig Gräser. Aber je näher wir den Bergen kamen, desto grüner wurde es und die
Felsformationen war auch nicht schlecht.
|
Das Kaffeehaus |
Wir hielten im ersten Dorf und tranken Kaffee. Awad
kannte den „Kaffeehausbesitzer“ Mohamed Ahmed von früheren Reisen. Der Kaffee
wird ähnlich zubereitet wie in Äthiopien, aber zusätzlich noch mit gemahlenem
Ingwer. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Ich staunte, als
ich hörte, dass Mohamed Ahmed erst 45 war, ich hätte ihn auf über 60 geschätzt.
Aber das Leben auf dem Land ist hart und die Menschen altern schneller. Auch
das Kaffeehaus war ein Verschlag aus Ästen und trockenen Kakteen, man saß auf
dem Boden auf alten Säcken.
Unser Hotel lag wenige hundert Meter hinter dem
Dorf und ich war verblüfft, so etwas in dieser Einöde zu finden. Ein richtig
großes Hotel mit allem Komfort – und wir waren fast die einzigen Gäste. Awad
meinte, dass in den Sommermonaten das Hotel richtig voll sei. In der näheren
Umgebung gibt es noch mehrere große leerstehende Anwesen, die der Regierung
gehören. Das Klima in den Bergen ist sehr angenehm. Tagsüber wurde es 24° warm
und nachts kühlte es auf 18° ab. Das Abendessen bestand aus Omelett mit Brot.
Die Zimmer rochen ein bisschen muffig, aber nach längerem Lüften wurde es
besser. Wir lernten auch Feliciano Riccardo aus Manila kennen, der schon seit
vielen Jahren im Sudan als Baggerfahrer arbeitete. Er hatte in einem Seitental
nach Mineralien gesucht und wartete jetzt auf den LKW, der ihn und seinen Riesenbagger
abholen würde.
Am nächsten Morgen war ich früh wach und duschte
ausgiebig. Es gab warmes Wasser. Nach dem Frühstück - Omelett mit Brot -
kauften wir Wasser, Brot und Datteln und marschierten los. Es war sehr neblig
und wir sahen keine Berge. Wir fragten uns durch und wurden von Frauen und
Kinder angebettelt: „Grush fi?“ Das ist die arabische Variante von „Haste mal en
Euro?“
Nach etlichen Irrungen und Wirrungen kam wir am
Jebel Al Sit an und sahen – Nebel. Immerhin gab es ein Absperrgitter, damit man
nicht in die Schlucht stürzte und auch einen Kaffeeverkäufer. Seit kurzem auch
einige Rondells, in denen man sitzen kann. Wir wollten erst mal Kaffee trinken
und hofften, dass sich der Nebel verziehen möchte. Aber es gab keinen Zucker. Zum Glück ist in
Afrika jeder mit einem Handy ausgerüstet und er telefonierte nach Zucker. Wir
mussten ein bisschen warten und versuchten in dem Nebel etwas von der
Landschaft zu sehen. Der Kaffeeverkäufer meinte, gegen Mittag würde sich der
Nebel lichten und tatsächlich war es auch so, auch wenn die Sicht immer noch
diesig war. Die Schlucht lag einige hundert Meter tiefer und die Seiten waren
mit Geröllhalden. Trotzdem gab es dort noch Ziegen und Mädchen, die sie
hüteten. Wir kletterten auf den Jebel al Sit und beguckten die Landschaft, die
in ihrer Kargheit atemberaubend schön war.
|
Djebel al Sit |
Dann kletterten wir wieder zu dem Kaffeeverkäufer
runter, wo inzwischen der Zucker eingetroffen war, sowie einige Studenten aus
Port Sudan. Wir unterhielten uns, tranken Kaffee und aßen Brot mit Datteln.
Später boten uns die Studenten noch einige Stücke Wassermelone an. Am späten
Nachmittag machten wir uns auf den Rückweg, der sehr viel kürzer als der
Anstieg im Nebel war. Neben unserem Hotel gab unter einer Akazie einen weiteren
Kaffeestand, wo wir einkehrten. Überall im Ostsudan wird Kaffee getrunken,
einmal bestellten wir Tee, aber er war beinahe ungeniesbar. Beim Kaffeetrinken
lernten wir auch einen ziemlich großmäuligen Ingenieur kennen, der gegenüber
unserem Hotel eine Ferienanlage des Justizministeriums sehr dilletantisch instand
setzte. Als es langsam dunkel wurde, gingen wir zurück ins Hotel zu unserem
Abendessen, Omelett mit Brot.
Wir saßen noch ein Weilchen zusammen und sprachen
über alte Zeiten. Awad meinte, ich sei damals besonders von dem sudanesischen Testbild
– bestehend aus einer Blume und Musik – beeindruckt gewesen und hätte ihn, als
wir uns 1989 in Deutschland wiedersahen, ganz ernsthaft gefragt, ob immer noch
dieses Testbild im Fernsehen liefe. Wir wieherten vor Lachen. Es wurden die
ganzen alten Kamellen aufgewärmt, Awad und Bakhri kennen sich auch schon seit
dem Kindergarten und wir hatten alle viel Spaß.
Am Morgen wachte ich früh auf, duschte und packte,
aber von Awad und Bakhri war noch nichts zu sehen. Ich setzte mich unten in die
Lounge und wartete. Nach einiger Zeit bestellte ich dann Tee, aber noch immer
war nichts von den beiden zu sehen. Als sie schließlich auftauchten, wollte
Awad gleich losfahren um dem Omelett-mit-Brot-Frühstück zu entgehen. Wir
bezahlten und fuhren etwa 40 km nach Sinkat, wo wir Ful mit Sesamöl und Brot
aßen. Awad kaufte noch Obst auf dem Markt und wir fuhren weiter. Einige
Kilometer hinter Sinkat gab es einen Stand mit sehr gutem Tee und Kaffee. Er
lag einsam an der Landstraße. Dort kann man auch essen und sogar übernachten -
ohne Komfort.
|
Suakin mit Teeverkäufer |
Die Straße durch die Berge war gut ausgebaut, aber
kurvenreich. Nach einer Stunde erreichten wir Suakin. Dort war ich vor 30
Jahren schon mal mit Stefan. Aber es hat sich sehr verändert. Das alte
koloniale Suakin lag auch damals schon in Ruinen und das moderne Suakin bestand
nur aus ein paar Hütten. Diese Hütten sind zu einer kleinen Stadt geworden –
mit Steinhäusern und zweimal täglich fährt von dort aus eine Fähre nach Jeddah.
Die Ruinenstadt war voller Betrieb. Die Türken und Sudanesen versuchen, sie
wieder aufzubauen nach altem Vorbild. Wir bezahlten 10 Pfund Eintritt und
wanderten durch die Ruinen. Ich versuchte den Platz wiederzufinden, wo ich
damals kampiert hatte, aber es gelang mir nur so ungefähr.
Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Port Sudan,
das etwa 70 km nördlich von Suakin liegt. In dieser Stadt war ich noch nie,
aber ich war positiv überrascht. Awad hat von einem befreundeten jemenitischen
Händler eine Wohnung gemietet, das ist billiger und privater als ein Hotel. Wir
ruhten ein bisschen und fuhren dann in die Stadt. Im Stadion war die Hölle los.
Der Präsident war gekommen und es wurde das Ende einer Messeausstellung
gefeiert. Ich hatte schon den ganzen Tag Bindehautentzündung, wahrscheinlich
von der Klimaanlage und wir besorgten in der Apotheke arabische Augentropfen,
die sofort halfen.
|
Kameltransport nach Ägypten |
Am nächsten Morgen fuhren wir zum Hafen und suchten
einen Platz zum Frühstücken. Wir gingen in ein Fischrestaurant, wo es für mich
Suppe und Reis gab und für die Jungs Fisch. Der Service war quälend langsam, am
Nebentisch palaverten einige Regierungsleute ziemlich laut und nervtötend. Awad
regte sich über den Mist auf, den sie von sich gaben. Ich verstand zum Glück
nichts. Nach einem schlechten Frühstück machten wir uns auf den Weg nach
Norden. Awad wollte ans Meer nach Arous, aber wir fanden nicht den richtigen
Abzweig und als wir fragten, waren wir schon viel zu weit. Der Kaffeeverkäufer,
den wir fragten, meinte, etwa 120 km nördlich gäbe es eine wunderschöne Bucht
und für ein bisschen Geld war er bereit mit uns mitzufahren und uns die Stelle
zu zeigen.
Es war weit, aber es hat sich gelohnt. Die
Landschaft änderte sich vielfach und die Straße war ziemlich neu und führte
nach Ägypten. Dort gab es viele LKWs mit Kamelen. Die Zeit der Karawanen ist
vorbei und die Kamele fahren jetzt per LKW in die ägyptischen Schlachthöfe. Sie
saßen ziemlich majestätisch im LKW und guckten in die Landschaft. Irgendwie
erinnerten sie mich an ältere Damen bei einer Butterfahrt.
|
weiß-blau |
Die Bucht, in die wir fuhren, war wirklich
wunderschön, das Meer tiefblau, der Himmel hellblau, der Strand ziemlich weiß
und in der Bucht ankerte ein Segelschiff. Wir fanden viele Muscheln und
Korallen, der Strand war bevölkert von Pelikanen und Krebsen, die eilig
flüchteten als wir kamen. Hier könnte ich es ein Weilchen aushalten. Vielleicht
beim nächsten Mal.
Am Nachmittag fuhren wir wieder zurück und setzten
Musa bei seinem Kaffeestand ab. Danach hielten wir doch noch in Arous, wo Awad
auch Leute traf, die er von früher kannte. Sie sprachen zum Glück auch Englisch
und wir unterhielten uns über Politik und den Niedergang des Hafens in Port
Sudan. Sie meinten, früher seien dort täglich einige hundert Schiffe
abgefertigt worden, aber durch die Misswirtschaft der Muslimbrüder kämen jetzt
nur noch ein bis zwei Schiffe täglich. Seit einigen Jahren gibt es in der Provinz
Port Sudan einen neuen Gouverneur, der sehr fähig zu sein scheint. Jedenfalls
war die Stadt überraschend sauber und man sah auch Männer und Frauen
händchenhaltend durch die Straßen laufen. Awad und Bakhri trafen einen alten
Freund, mit dem sie früher um die Häuser gezogen waren. Er war im Begriff zum
ersten Mal zu heiraten – mit über 50 – und musste sich einige Neckereien
anhören.
Port Sudan hat mir wirklich gut gefallen, obwohl
ich mir ganichts davon versprochen hatte. Aber es ist auch ziemlich international,
vor allem leben dort viele Jemeniten und Saudis. Auch die Waren und das Benzin
kommen eher von Saudi-Arabien als von Khartoum.
Am nächsten Morgen standen wir um 5 Uhr auf und
fuhren kurz nach 6 Uhr los. Am Stadtrand tankten wir und fuhren zurück nach
Suakin, wo Awad und Bakhri bei einem Händler Muscheln und Korallen kauften, die
sie im Laden verkaufen wollten. Wir frühstückten auch dort. Awad meinte, die
Sudanesen würden erst um 10 oder 11 Uhr frühstücken und es sei schwierig,
vorher etwas zu finden. Aber wir hatten Glück und ein sehr gutes Ful-Restaurant
hatte schon geöffnet. Wir nahmen auch Ful-Burger für die lange Reise mit und
kauften Wasser.
Der nächste Stop war die Gabelung in Heiya, wo wir
tankten und von den Frauen dort Körbe kauften, die Awad in seinem Laden
verkaufen wollte. Es kamen wieder viele Kinder mit dem Spruch „Grush fi?“ Wir
fuhren weiter und unterhielten uns. Die Strecke führte entlang der alten
britischen Bahnlinie und Awad erzählte, dass sie vor über 100 Jahren gebaut
worden war und noch immer in gutem Zustand sei, obwohl die Regierung den
Unterhalt der Bahnlinie vernachlässigen würde. Wir beschlossen, am nächsten
Bahnhof zu halten und ihn zu fotografieren.
Er lag nicht weit entfernt von der Straße in einer
ziemlich sandigen Gegend mit nur wenigen Hütten. Der Wind blies ziemlich heftig
und wir knipsten drauf los, bis auf einmal die Tür aufging und 2 Bahnwärter uns
hereinbaten. Sie erzählten, täglich würden 5 Güterzüge vorbeikommen. Sie tun
immer 30 Tage Dienst und haben dann 30 Tage frei. Sie zeigten uns alles, das
Stellwerk und die Signalanlage, die auch schon über 100 Jahre alt waren. Sie
freuten sich wirklich sehr uns zu sehen, eine willkommene Abwechslung im
täglichen Einerlei. Wir gingen zusammen zu einer Hütte, in der es auch Kaffee
gab. Mittlerweile hatte sich unsere Anwesenheit rumgesprochen und es kamen
viele Männer um uns zu bestaunen. Ein älterer Mann fasste sich ein Herz und
meinte, man solle mir sagen, dass der Brunnen des Dorfes nur salziges Wasser
hätte, dass man nicht trinken könne und das auch die Tiere verschmähten. Die
Regierung würde nichts tun, dabei könnte man mit einem Filter Abhilfe schaffen.
Wir gingen zu dem Brunnen und wirklich, das Wasser schmeckte scheußlich, salzig
und bitter. Awad notierte sich die Handynummer von dem Dorfchef, dann beteten
alle, dass es mit dem Filter klappen würde und wir fuhren weiter.
Etwa 100 km weiter kamen wir mitten in der Wüste an
Früchten vorbei, die ähnlich wie kleine Kürbisse aussahen und wir sammelten sie
ein. Awad meinte, das sei Medizin und sehr gut bei Rückenschmerzen, Rheuma und
Arthritis.
In Atbara machten wir Station bei Bakhris Freund,
aber er war außer Haus, deshalb gingen wir in eine Cafeteria außerhalb der
Stadt, in der es wirklich sehr guten Tee gab. Danach fuhren wir durch bis Dem
El Garay, etwa 170 km vor Khartoum. Das ist ein kleines Dorf am Nil, wo ich
beim letzten Mal fast eine Woche verbracht hatte. Die Dorfleute waren so nett
und gastfreundlich, vor allem Issam, der mich damals im Bus aufgegabelt hatte
und zu sich eingeladen hatte.
|
Izzam mit seinen Jungs |
Wir fragten uns zu seinem Haus durch und seine
Schwester öffnete die Tür. Sie erkannte mich sofort und freute sich sehr uns zu
sehen. Issam war mit seiner Frau und Mutter bei einer Beerdigung, aber die
Schwester rief ihn an und nach wenigen Minuten kam er. Die Wiedersehensfreude
war sehr groß. Mittlerweile hatte er geheiratet und 2 Söhne. Er war auch
ziemlich gealtert und hatte schon viele graue Haare, obwohl er höchstens 38
war. Leider konnten wir nicht lange bleiben, da wir bei Einbruch der Dunkelheit
in Khartoum sein wollten. Issam wollte aber in den nächsten Tagen nach Khartoum
fahren, vielleicht klappt es ja noch mit einem Wiedersehen. Jedenfalls habe ich
vor 12 Jahren Bilder in das Dorf geschickt und sie sind tatsächlich angekommen.
Wir fuhren weiter, hielten noch einmal an um Tee zu trinken und waren gegen 8
Uhr wieder zuhause. Ich duschte ausgiebig und redete danach noch mit Awads
Mutter und Schwester. Nach einer Woche im Sudan sind ziemlich viele Wörter
wieder zurück gekommen und ich konnte mich radebrechend unterhalten. Aber die
lange Fahrt hatte mich ziemlich geschlaucht.
Am Morgen bin ich kurz vor 9 Uhr wachgeworden und
duschte wieder. Awad kam gegen halb 10 und wir fuhren in die Stadt, wo wir in
seinem Büro frühstückten. Ich hatte mich mit Computer und allem Zubehör
bewaffnet, weil ich nach einer Woche meine Emails checken wollte, bei der Bank
vorbeischauen und endlich mal wieder surfen wollte. Mit dem Handy hatte ich
zwar auch Internetverbindung, aber es ist nicht dasselbe wie mit dem Computer.
Leider stellte ich fest, dass ich, seit wir letzten Sommer den Server
gewechselt haben, keine Emails von meinem Fistula Account verschicken konnte.
Das hat mich ziemlich irritiert, aber zum Glück klappte es mit Web.de
Ich bin im Büro fast erfroren und hatte Angst mich
zu erkälten. Awad schwitzt leicht und hat die Klimaanlage auf 20° eingestellt,
dazu noch den Ventilator. Ich sass bibbernd im Büro und beeilte mich, mit dem
Computer fertig zu werden. Draußen war es 40° warm, das kam mich danach richtig
angenehm vor. Am Nachmittag verabschiedeten wir uns von Awads Freunden und
fuhren zu Awads Frau und ihrer Familie. Sie wohnen in einem sehr großen
Anwesen, in das Awad mit Frau und Tochter nächste Woche auch einziehen wird.
Wir redeten noch ein Weilchen miteinander, es war ziemlich lustig, da ihr
Englisch so gut wie mein Arabisch war.
Kurz vor 8 fuhren wir zu Bakhris Familie. Er hat 5
Kinder zwischen 22 und 12 Jahren, die alle gut Englisch sprachen und überhaupt
die ganze Familie ist unglaublich nett. Bakhris Frau Chaditja kennt mich auch
schon seit meiner 1. Reise. Sie wohnte damals in der Nachbarschaft und war etwa
12 Jahre alt. Die Kinder sind internetmäßig ziemlich fit und ich bin sicher,
wir werden jetzt enger in Kontakt bleiben. Überhaupt habe ich auf dieser Reise
viel über mein Handy gelernt. Wir blieben lange und kamen so spät nach Hause,
dass Awads Mutter schon schlief und sich mitsamt meinem ganzen Gepäck
eingeschlossen hatte. Deswegen musste ich im T-Shirt und quasi ungewaschen
schlafen.
Bin morgens früh aufgewacht und sofort, als Awads
Mutter wach war, holte ich meine Sachen und verschwand in die Dusche. Awad kam
später vorbei und wir fuhren erst mal zu dem Laden in Riadh um etwas zu holen. Danach
hielten wir vor einem Haus und er meinte, ich solle mitkommen. Ich war total
überrascht, seine Schwester Adila wiederzusehen. Die Überraschung ist ihnen
echt gelungen.
Awads ganze Familie kenne ich seit meiner ersten
Sudanreise und ich war 1984 auch mit Adila in ihrer Schule, zuerst im
Englischunterricht, danach im Arabischunterricht und zum Schluß in Französisch.
Danach bin ich geflüchtet... Wir tranken Tee und Saft und ich begrüßte auch
ihre Kinder. Mohamed ist inzwischen ein junger Mann von 19 Jahren, der mich um
einen Kopf überragt und ihre jüngste Tochter, die beim letzten Mal gerade
wenige Tage alt war, ist jetzt ein Teenager von 11 Jahren. Zum Glück sprachen
Adilas Kinder gut Englisch.
Später verabschiedeten wir uns und trafen uns mit
Hannah in einer Pizzeria. Pizza ist zurzeit das angesagte Essen in Khartoum. Am
Nachmittag fuhren wir wieder ins Büro und kopierten unsere Fotos. Gegen Abend
dann wieder nach Omdurman, weil wir noch bei Awads Schwester Maschair
eingeladen waren zum Teetrinken. Auch sie habe ich seit 30 Jahren nicht mehr
gesehen. Inzwischen hat sie 3 Kinder und lebt mit ihrem Mann, einem Kinderarzt
neben Awads Mutter. Die letzten Jahre haben sie in Saudi-Arabien gelebt und ich
wußte nicht, dass sie wieder zurück waren. Den Rest des Abends verbrachte ich
mit Kofferpacken.
Awad war pünktlich um 8 Uhr morgens da und holte
mich ab.Seine Schwägerin fuhr auch mit zum Flughafen, da sie beide hinterher
noch in einen Baumarkt wollten. Ich dachte, mein Flug sei um 11.45, aber als
wir ankamen, wollte man mich nicht in den Flughafen lassen und meinte, der Flug
ginge erst um 15 Uhr. Wir gingen zu Ethiopian Airlines und dort bestätigte man
uns, dass es so sei. Wir überlegten, was zu tun sei. Es lohnte sich fast nicht
mehr, nochmal in die Stadt zu fahren. Aber draußen waren es 38°. Awads
Schwägerin rief ihre Cousine an, die im Flughafen arbeitet und sie nach mich
mit nach drinnen. Es war angenehm klimatisiert und ich wartete.
Um halb 12 wurde der Check-in geöffnet. Ich stellte
mich an, aber es gab ein Problem. Da ich nur bis Addis flog und nicht nach
Deutschland, streikte der Computer. Und es wurde auch bemängelt, dass ich das
Ticket nicht ausgedruckt hatte. Nach langem Hin-und-Her ließ man mich
einchecken. Das war der 1. Schritt.
Danach musste ich ein Formular ausfüllen in
3-facher Kopie. Ich stellte mich in die Schlange und als ich an der Reihe war,
sagte man mich, ich bräuchte ein Ausreisevisum und das bekäme ich gegenüber.
Ich füllte aus, kopierte 3 mal – gegen Gebühr – und zahlte dann das Ausreisevisum
– 35 Euro! 5 verschiedene Leute hatten meinen Pass in der Mache. Ich stellte
mich wieder an, wurde aber zurück geschickt, weil noch die Marke fehlte. Also
gut, Marke geholt und wieder angestellt, dann wollte er auch noch das 1.
Formular, dass ich vor laute Papieren schon weggepackt hatte. Mittlerweile fand
ich das Ganze zum Brüllen komisch und steckte alle anderen mit Lachen an. Ich
meinte zu dem Grenzer: „Es ist nicht einfach in den Sudan einzureisen und noch
schwieriger, wieder auszureisen, aber ich werde wiederkommen.“ Er wünschte mir
viel Glück. Das war der 2.Schritt.
Danach wollte ich zur Handgepäckkontrolle, aber man
schickte mich weg, weil es noch zu früh sei! Also wartete ich ein bisschen und
reihte mich dann ein. Ich wurde gründlich gefilzt mit Bodycheck und allem drum
und dran. Aber schließlich hatte ich es geschafft und saß im Flieger. Das war
der 3. Schritt.
Die ganze Prozedur hat über 2 Stunden gedauert. Der
Flug nur 1 Stunde und 45 Minuten. Die Einreise nach Äthiopien angenehme 15
Minuten – von der Landung bis ich mit Visum und Koffer aus dem Flughafen
draußen war. Es geht doch nichts über effizientes Arbeiten.
Aber Sudan ist und bleibt mein Lieblingsland. Wir
haben sehr viel gelacht in diesen 10 Tagen.