Mittwoch, 25. Februar 2015

Sudan mit Herbert - nach 33 Jahren 05.02.- 20.02.2015

Nach 33 Jahren wieder mit Herbert. Wir haben uns in Istanbul getroffen - zum ersten Mal nach 15 Jahren. Wir hatten uns viel zu erzählen und die letzten Jahrzehnte aufgeholt. Auf dem Nachtflug saß ein älterer Italiener neben uns, der sich irgendwann lautstark beschwerte, weil wir so laut lachten und uns unterhielten.
Die Ankunft in Khartoum war relativ flott. Wir passierten die Zollkontrolle schnell, aber als wir unser Gepäck abholten wurden wir vom Zoll aufgehalten, die Herberts Reisetasche untersuchen wollten. Dort befand sich ein Aufkleber, der ihnen suspekt war. Herbert hatte diese Tasche für einen sudanesischen Bekannten mitgebracht und wollte sie nicht öffnen. Nach einigen Diskussionen riß ich den Aufkleber ab, lud die Tasche wieder auf den Wagen und bewegte mich zum Ausgang. Dort wurden wir nochmals aufgehalten, aber der Zöllner sah, dass sich kein Aufkleber mehr an der Tasche befand und ließ uns passieren.  Wir wurden von Awads Bruder Gindil und seinem Freund Gamal abgeholt und nach Hause gebracht.Unser Freund Awad, der diese Reise ins Rollen gebracht hat, blieb in Australien und hielt nur telefonisch mit uns Kontakt. Wir wohnten bei Awads Familie.

Am nächsten Morgen wollte Herbert sogleich auf den Souk. Wir fuhren mit dem Bus und  latschten endlos bei glühender Hitze durch die Stadt, waren irgendwann beim Nil und kehrten abends wieder nach Hause zurück.Khartoum ist in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen, auch aufgrund des Ölbooms. Die Stadt hat sich verfünffacht and Bevölkerung und Ausdehnung. Zum Glück konnte ich anhand des Navis wieder zurückfinden.

Herbert ist inzwischen fast 66 und technisch noch auf dem Stand der frühen 80er. Computer und Handys sind ihm zutiefst suspekt und unnötig. Aber er musste doch manchmal zugeben, dass mein Multifunktionsgerät auch seine guten Seiten hatte. Das Navi, die Taschenlampe, die Kamera und mit meiner sudanesischen Simcard konnten wir fast kostenlos nach Deutschland telefonieren.
 Am Sonntag hatten endlich die Behörden wieder geöffnet und wir wagten den den Hürdenlauf um alle nötigen Stempel zu ergattern. Herbert wehrte sich heftig, als Gindil und Gamal uns halfen, aber ohne sie hätten wir für diese Aktion Tage gebraucht. Schließlich erstanden wir für rund 40 Euro eine Reisegenehmigung und bestiegen Montags früh den Bus um nach Atbara zu fahren.
Die modernen Reisebusse sind tiefgekühlt und ich habe mir sofort einen Schnupfen geholt. Der Busbahnhof am Stadtrand, aber wir fuhren mit dem Tuktuk, die hierzulande Riksha heißen, in die Stadt und fanden ein annehmbares Hotel in der Nähe des Souk. Schon damals hatten wir in dieser Stadt 2 Tage verbracht, aber nach 33 Jahren erkannten wir sie nicht wieder. Nachdem wir in der Stadt herumgeschlendert waren, sind wir am nächsten Tag mit dem Bus weiter nach Port Sudan. Herbert wollte ins "billigste" Hotel der Stadt und das haben wir dann auch gefunden. Die sanitären Anlagen waren derart, dass wir auf jegliche Körperreinigung verzichteten. Die Betten waren seit Monaten nicht bezogen und der Fußboden hatte schon ewig kein Wasser mehr gesehen. Nach einer schlaflosen
Das Bad in Port Sudan
Nacht waren wir froh, als der Muezzin um 5 Uhr loslegte und beschlossen weiterzuziehen. Wir mussten zugeben, dass wir beide um 33 Jahre gealtert waren und nicht mehr so hart im Nehmen wie damals. Zumindest ein eigenes Bad sollte es schon sein. Und auch nicht mehr das billigste Hotel.
Wir fanden einen Bus nach Suakin und suchten uns ein Hotel mit eigenem Bad. Es war zwar nicht toll, aber die Betten waren frisch bezogen und es gab auch manchmal Wasser und Strom. Obwohl der Ort nur etwa 5.000 Einwohner hatte, war jedes zweite Haus ein Hotel. Ich erfuhr, dass die Fähre nach Jeddah dort anlegt und deswegen viele Leute dort nächtigen. Es herrschte auch ein reger Handel, vor allem mit Flachbildglotzen, Kühlschränken und Waschmaschinen. Außerdem war es windig und kühl, nur etwa 25 Grad. Da kam zu dem Schnupfen noch ein ordentlicher Husten. Der Verkauf von Tempotaschentüchern in dem kleinen Ort stieg enorm. Außerdem habe ich mir eine wunderhübsche Plüschdecke chinesischer Fabrikation gekauft und mich warm eingepackt. Herbert fing an wegen der "Schönheit" der Decke zu stänkern, aber sie war wunderbar warm und ich habe sie mit nach Deutschland geschleppt.
Der Beach in Suakin

Wir erkundeten die Stadt. Vor 30 Jahren war ich hier und habe mit Stefan in den Ruinen gecampt. Die Stelle habe ich aber nicht mehr wieder gefunden. Die Ruinenstadt wird jetzt zum Teil wieder aufgebaut. Es ist auch ein modernes Gebäude entstanden, das einmal Hotel und Museum werden soll. Ein einheimischer Führer zeigte uns alles und anschließend sind Herbert und ich noch allein übers Gelände gestreift. Suakin war im 19. Jahrhundert der größte und einzige Hafen im südlichen Roten Meer, aber nach der Gründung von Port Sudan vor rund 100 Jahren verfiel der Ort zusehends und ist seit über 50 Jahren nicht mehr bewohnt. Vor 30 Jahren bestand Suakin nur aus ein paar Lehmhütten, inzwischen hat sich dank der Fähre ein kleiner Ort mit Steinhäusern und überdurchschnittlich vielen Hotels entwickelt.
Nach 3 Tagen wollten wir weiter, erfuhren aber, dass der Bus nach Kassala schon abgefahren sei. Deshalb versuchten wir zu trampen und fanden auch schon bald ein Auto, dass uns bis zum nächsten Polizeiposten am Rande der Stadt mitnahm, wo die Polizei ausgiebig unsere Pässe kontrollierte und uns dann nach Suakin zurückbeorderte um am nächsten Morgen den Bus zu nehmen. Also verbrachten wir noch eine Nacht dort und fuhren am nächsten Morgen um 7 mit dem Bus weiter.
In Kassala nahmen wir ein Taxi in das "beste" Hotel der Stadt. Es war wirklich vergleichsweise sehr gut mit eigenem Bad und alles funktionierte. Da ich unterwegs in allen Garküchen gegessen hatte kam dann zu dem Schnupfen und Husten auch noch Dünnschiß dazu... Ich suchte eine Apotheke um Darmbeton zu kaufen. Nach wenigen Stunden ging es mir besser. Vor dreißig Jahren war ich schon mal in dieser Stadt gewesen. Damals herrschte gerade die große Hungersnot in Äthiopien, Hunger als Waffe in dem Krieg um die Unabhängigkeit. Die Stadt war damals voll von Flüchtlingen und großen Flüchtlingslagern in der näheren Umgebung. Viele dieser Leute sind geblieben, die Grenze nach Eritrea ist nur etwa 30 km entfernt.
Die Stadt liegt am Fuße von felsigen Bergen und wir beschlossen, ein bisschen zu klettern. Natürlich in der größten Hitze, wie sich das für Bleichgesichter gehört. Dort ist mein Kreislauf dann in den Keller gerauscht und ich war einige Minuten weg...  Aber sonst war es ganz toll.
Dienstags sind wir wieder nach Khartoum zurückgefahren. Unser Bus was dieses Mal innen mit rotem Plüsch ausgelegt und Herzchen. Man fühlte sich mitten im Rotlichtbezirk...
Abends kamen wir nach 12 Stunden im Bus ziemlich kaputt zuhause an und besuchten unseren Freund Baghri und seine Familie. Mittwochs liefen wir noch ausgiebig über den Souk, ich bekam ein bisschen zuviel Sonne ab und war ziemlich rot - trotz Sonnencreme Faktor 50. Abends hatten wir alle ins beste Restaurant von Omdurman eingeladen, direkt am Nil. Es gab Pizza und sudanenisches Essen, alles sehr lecker.
Donnerstags schliefen wir ausgiebig lange und packten dann unsere Koffer. Meiner war eine ganze Ecke schwerer als bei der Einreise. Nicht nur wegen der Plüschdecke. Reich beschenkt von allen platzte der Koffer aus allen Nähten. Herberts Frau hatte uns schon erzählt, dass es in Istanbul geschneit hat, aber das es solche Auswirkungen haben würde, konnten wir uns nicht vorstellen.
Ghadafis Ei
 lud uns abends in das allerbeste Restaurant ein, im 16. Stock von Ghaddafis Ei, einem 5-Sterne-Hotel. Herbert wollte sich weigern, zog sich dann aber auf dem Parkplatz um, nur um festzustellen, dass das Restaurant zwar fein war, aber trotzdem von Chinesen in kurzen Hosen mit Badelatschen bevölkert war. Wir wären gar nicht aufgefallen. Das Essen war lecker, aber am besten war die tolle Aussicht über die Stadt und den Nil. Gegen Mitternacht fuhren wir mit allen Freunden zum Flughafen. Zum Glück war auch Mustafa mitgekommen. Er hatte in Berlin studiert, arbeitet bei der deutschen Botschaft und hat Schmiss bei den Frauen. Dank seiner Hilfe konnten wir ohne Probleme den Flughafen betreten. Wir gaben unsere Pässe einer jungen Frau, die mit Mustafa schäkerte und gingen wieder nach draußen um uns zu verabschieden. Nach einer halben Stunde kam sie wieder mit unseren Pässen und der Boarding Card. Alles war ordnungsgemäß abgestempelt, wir mussten keinen Cent für das Ausreisevisum abdrücken!!!  
Einziger Wermutstropfen: Wegen des Schnees kam das Flugzeug mit 2 Stunden Verspätung an. Wir verpassten unsere Anschlußflüge wie einige hundert andere Passagiere. Die Türken taten was sie konnten, waren sehr hilfsbereit und unbürokratisch, trotz der langen Schlangen. Ich hatte Glück und konnte die Mittagsmaschine nach Stuttgart nehmen während Herbert auf den Abendflug nach Berlin warten musste. Der Istanbuler Flughafen sah aus, als läge er mitten in Alaska. Selbst wenn es nicht mehr schneit, dauert es noch einige Tage bis der Betrieb wieder normal läuft. Aber sogar mein vegetarisches Essen ist mit umgebucht worden, obwohl ich es nicht extra erwähnt habe und auch mein Koffer kam mit an. Herberts Koffer allerdings nicht.

Herbert, Jutta, Abdallah
Freitagabend war ich zuhause, müde, hustend und verschnupft. Aber es war supertoll und ich hoffe, nächstes Jahr wieder dorthin reisen zu können. Der Sudan ist und bleibt mein Lieblingsland - gerade wegen der Menschen dort. Der bürokratische Hindernislauf bemüht sich nach Kräften Touristen fernzuhalten, aber man kann unbesorgt reisen - auch als Frau allein und wird NIE !!! angemacht. Meist zahlt man auch nur die ortsüblichen Preise und wird selten angebettelt. Wir haben in den 2 Wochen keine anderen Weißen getroffen.

Freitag, 4. April 2014

Sudan März 2014



Sudan 2014              1.-11.3.2014

Für die Einreise in mein Lieblingsland legten mir die Sudanesen dieses Mal diverse Stolpersteine in den Weg. Nicht nur, dass man jetzt auch eine Einladung oder Hotelbuchung vorzeigen muss, auch das Visum dauerte 5 Wochen und diverse Telefonate. Als ich schon ziemlich nervös wurde kam endlich der Pass noch rechtzeitig an. Der Flug nach Addis war problemlos und von der Landung des Fliegers bis ich aus dem Flughafen draußen war dauerte es nur 30 Minuten. Die Äthiopier arbeiten immer effizienter, aber wir waren auch das einzige Flugzeug, das gerade gelandet war.

Ich rief meinen Sohn Bekalu an, der noch schlief. Am Tag zuvor meinte ich noch, es würde bestimmt 8 Uhr werden, bis ich mit allem fertig sei, jetzt war es schon um halb sieben soweit. Da ich nicht im Flughafengebäude warten wollte, ging ich ihnen mit meinen Koffern entgegen, begafft von allen anderen und von Hunderten von Taxifahrern angemacht, die mich nach Hause bingen wollten. Nach knapp einer Stunde trafen Bekalus Frau Azeb und seine Schwester Bezuayehu ein.

Wir fuhren nach Hause und frühstückten erst mal, die Kinder waren schon wach, auch Bekalu war schon in Geschäften unterwegs. Er traf aber kurz nach uns ein und Azeb und er mussten auch gleich wieder los. Sie wollen nämlich ein neues Haus bauen und mussten den Baufortschritt begutachten. Ich entschied mich, nicht   mitzufahren sondern legte mich lieber eine Stunde hin. Ich Flugzeug habe ich zwar geschlafen, aber es war im Sitzen nicht sonderlich bequem. Danach sortierte ich mein Gepäck und duschte. Bekalu kam um 2 Uhr zurück und brachte mich wieder zum Flughafen.

Der Flieger nach Khartoum war wesentlich kleiner, eine Propellermaschine und voll mit Chinesen. Der Flug dauerte knapp eineinhalb Stunden und die Einreise in den Sudan war wesentlich bürokratischer. Erst mal musste man ein Einreiseformular ergattern, da aber gleichzeitig noch eine Maschine gelandet war, gestaltete sich dies schwierig. Als ich es endlich geschafft und mich eingereiht hatte, machte man mich darauf aufmerksam, dass ich in der falschen Schlange anstand. Als ich bis zum Schalter vorgedrungen war, war die Dame bei der Passkontrolle sehr freundlich und schaute gar nicht, was ich in meinem Formular geschrieben hatte, sondern stempelte es ab und wünschte mir eine gute Zeit. Da die Passkontrolle so lange gedauert hat, stand mein Koffer zum Glück schon da. Es gab wieder großes Gedränge beim Zoll, bis ich meinte, in meinem kleinen Köfferchen könnte ich ja kaum was schmuggeln und man ließ mich ziehen. Diese Einreise hat fast 2 Stunden gedauert.

Awad wartete schon ungeduldig und wir erkannten uns sofort wieder. Wir hatten uns seit 5 oder 6 Jahren nicht mehr gesehen, er war ein bisschen älter und runder geworden, aber das Gleiche kann man von mir ja auch sagen. Wir fuhren durch die Stadt zu seinem Laden und danach in ein Restaurant, dass sehr gut war, mit europäischer Küche und angenehmer Atmosphäre. Nach dem Essen fuhren wir kurz bei Awads Frau und Tochter vorbei um Hallo zu sagen und danach zu seiner Mutter. Sein Vater ist vor einigen Jahren gestorben, aber seine Mutter ist jetzt Mitte siebzig und in guter Verfassung. Auch sein Bruder Gindil und seine Schwester Eshrara kamen kurz vorbei. Aber als das Bett in greifbarer Nähe war, wurde ich aber schlagartig todmüde, denn ich war jetzt sein fast 40 Stunden wach, wenn man den Flugzeugschlaf und die Stunde in Addis nicht mitzählt. Es gab eine kurze Diskussion, ob ich im Hof schlafe oder im Zimmer. Im Hof war es noch ziemlich warm, so um die 35°, deswegen entschied ich mich für das klimatisierte Zimmer, obwohl ich die Klimaanlage schon kurz danach abstellte, zu laut und zu kalt. Ich schlief sofort tief und fest.

Am nächsten Morgen war ich frisch und munter und um 8 Uhr ausgeschlafen. Awad wollte um 9 zum Frühstück kommen. Ich duschte kalt und trank schon mal Tee. Awad und Gindil trafen wenige Zeit später mit Brot und meinem Lieblingskäse ein. Diesen Käse, den ich Darmverschlingung getauft habe, habe ich zum ersten Mal 1982 in Khartoum gesehen. Später habe ich ihn in Istanbul gefunden und seit einigen Jahren gibt es ihn auch im türkischen Supermarkt in Bruchsal. Wir tranken noch mehr Tee, aßen frische Limonen direkt vom Baum und fuhren danach in die Stadt zum Ausländeramt um für mich eine Reiseerlaubnis für Port Sudan zu holen. Aber das war nicht so einfach. Wir wurden von Pontius zu Pilatus geschickt und es gab keine Formulare, erst als Awad ein bisschen Geld locker machte, lief es wie am Schnürchen. Wir mussten alles 3 mal kopieren, meinen Pass, das Visum und das Formular, dann gaben wir es ab und der Polizist wollte sich melden, wenn es fertig sei. Ich war die einzige westliche Ausländerin.

Danach fuhren wir in Awads Laden und das Büro, wo auch noch andere Freunde von Awad waren, alle deutschsprachig. Überhaupt schien der Laden der Treffpunkt der deutschen Sudanesen zu sein. Awad und ich haben uns 1982 kennengelernt und sind seitdem in Kontakt. Er hat fast 20 Jahre in Deutschland gelebt und ist vor einigen Jahren wieder in den Sudan zurückgekehrt. In Khartoum hat er 2 Läden in einer noblen Gegend mit vielen Villen. Dort verkauft er Parfüm, Weihrauch und allerlei andere Wohlgerüche. Die Geschäfte laufen sehr gut. Vor kurzem kam noch ein Laden mit sudanesischem Kunsthandwerk und Gemälden dazu. Dort traf ich auch Bakhri wieder, den ich schon genauso lange kenne wie Awad. 1982 bei meiner 1. Reise haben wir uns getroffen, die Kommunikation war ein bisschen schwierig, da Bakhri kein Englisch spricht, aber er ist ein sehr netter Mensch, freundlich und warmherzig.

Gegen 4 Uhr rief der Polizist an und wir holten das Formular ab. Eigentlich wollte Awad am nächsten Tag starten, aber er meinte, vor der langen Fahrt wollte er gerne nochmal das Auto überprüfen lassen und wir einigten uns darauf, lieber einen Tag später zu starten. Abends fuhren wir in eine Hähnchenbraterei, wo es für mich Suppe und Salat gab. Danach besuchten wir die Familie von Awads Frau und aßen dort noch Wassermelonen, für die es zur Zeit Hochsaison ist. Mit dem Arabisch ist es mühsam. Ich verstehe es einigermaßen, aber mit dem Sprechen tue ich mich noch sehr schwer.

Gegen 10 waren wir zuhause und vereinbarten, dass mich Gindil am nächsten Tag mit in die Stadt nimmt und mir vor allem eine sudanesische Simcard besorgt. Ich war ziemlich groggy und bin nach einer Dusche gleich ins Bett gefallen. In der Nacht wachte ich auf, weil es heftig regnete – völlig außerhalb der Regenzeit. Danach konnte ich erst mal stundenlang nicht mehr schlafen. Zuviele Eindrücke gingen mir im Kopf rum.

Am nächsten Morgen war ich wie gerädert und bin erst um 9 Uhr aufgewacht. Auch durch die Dusche nicht viel wacher geworden. Gindil kam um 10 und wir kauften die Simcard und etwas Telefonkredit. Die Leute der Telefongesellschaft öffneten auch mein Handy, damit ich die Karte einlegen konnte. Es war um 10 Uhr schon 38° warm und ich war plötzlich gar nicht mehr so scharf drauf alleine bei der Hitze durch die Stadt zu laufen. Khartoum hat sich seit dem letzten Mal sehr verändert. Es ist viel größer geworden und das Stadtzentrum ist nicht mehr wiederzuerkennen. Vor 30 Jahren war es noch wie ein großes Dorf mit wenigen Steinhäusern, die aus der Kolonialzeit stammten, ein Villenviertel direkt am Nil. In der Stadt gab es einige wenige Villen, sonst nur Lehmbauten und jetzt ist das Zentrum dicht bebaut mit hohen Häusern. Am Nil gibt es ein 5-Sterne-Hotel, von Ghaddafi erbaut in Eiform, dass hier nur Ghaddafis Ei genannt wird. In der Stadt ist Dauerstau, auch über die Nilbrücken kommt man nur quälend langsam. Wir fuhren zu VW und trafen dort Awad, mit dem ich dann weitergefahren bin. Wir holten Hannah ab, eine Freundin von Awad und gingen in ein gutes türkisches Restaurant essen. Hannah sprach gut English und wir hatten uns einiges zu erzählen.

Nach dem Essen besuchten wir einen Künstler, Ahmed, der auch schon in Europa ausgestellt hat und gut von seiner Arbeit leben kann. Seine Bilder gefielen mir fast alle sehr gut. Das Haus war voller Bücher. Danach fuhren wir wieder in den Laden, wo noch mehr deutschsprachige Sudanesen eingetroffen waren. Alle haben damals in Deutschland studiert und leben jetzt wieder im Sudan.

Am späten Nachmittag wollte Awad noch 2 Reifen wechseln, was sich im Nachhinein auch als sehr gut herausstellte, denn sie waren schon arg hinüber. Danach gingen wir Abendessen in einem schicken Restaurant in Omdurman, das direkt am Nil liegt. Es gibt dort sudanesische und mongolische Küche. Ich wählte Ful und Falafel, mein sudanesisches Lieblingsessen. Dieses Restaurant heißt Al Hosh (der Hof) und ist neu erbaut mit schönem Ambiente. Dort war auch eine tief verschleierte Frau und ich überlegte, wie sie mit Schleier essen würde. Ich fragte Awad und wir frozzelten darüber. Sudanesische Frauen sind normalerweise nicht verschleiert, sondern tragen einen „Tobe“, der einem indischen Sari ähnelt. Es sieht sehr elegant aus, aber man muss damit aufgewachsen sein, um sich elegant damit bewegen zu können. Ich musste mir immer krampfhaft alles zusammen halten, damit ich nicht plötzlich im Freien stand. Auf dem Nachhauseweg erstand Awad noch eine riesige Wassermelone, die wir gleich mit Awads Mutter und Schwester verspeisten. Ich duschte und packte meinen kleinen Rucksack für die Reise.
Raststätte an der Hauptstraße Khartoum - Atbara

Ich hatte mir den Wecker auf 5 gestellt. In der Nacht regnete es wieder. Awad kam mit Bakhri um 6 Uhr vorbei und dann ging es los. Es war noch stockdunkel und wenig Verkehr. Omdurman zog sich ewig hin. Die Stadt ist in den letzten Jahrzehnten mehr in die Breite gewachsen und um sie zu durchqueren muss man schon 80 km fahren. Am Nordende gab es eine neue Brücke und wir erreichten die Straße nach Atbara. Bei meiner ersten Reise war ich schon mal in Atbara gewesen, es liegt ungefähr 400 km nördlich von Khartoum.

Als es schließlich hell war, frühstückten wir in einer „Raststätte“, Shai Laban (Milchtee) und Krapfen. Im Sudan ist alles entweder extrem süß oder extrem scharf und wir kämpften immer, damit wir den Tee nur mit einem Teelöffel Zucker bekamen statt mit 5 oder 6 Esslöffeln. Es war ziemlich viel Verkehr, vor allem von großen Lastwagen und Autobussen, die sich in teilweise halsbrecherischer Manier überholten. Die Straße verläuft schnurgerade und das verleitet natürlich zum Überholen. Entgegenkommende Fahrzeuge kann man entfernungsmäßig schlecht abschätzen. In Atbara machten wir kurz Station um einen alten Freund von Awad und Bakhri zu besuchen, der jetzt mit seiner Familie dort lebt und als Straßenbauingenieur arbeitet. Die Stadt ist sehr gewachsen und wird von einem riesigen Betonwerk dominiert. Es staubte ziemlich und das kann ja nicht gerade sehr gesund sein. Bald fuhren wir weiter Richtung Port Sudan auf der neuen Asphaltstraße. Der Verkehr hinter Atbara ließ deutlich nach.

Das nächste Problem war jetzt Benzin. Awad wollte eigentlich in Atbara tanken, aber vor lauter Reden hatte er nicht mehr dran gedacht. Nach etwa 80-90 km kam eine Tankstelle, aber sie hatten nur Diesel. Man sagte uns, die nächste Tankstelle sei 60 km weiter und wir hofften, dass der Sprit reichen würde. Tatsächlich kamen wir mit dem letzten Tropfen dort an. Die Strecke Atbara – Port Sudan ist etwa 400 km lang und es gibt nur wenige Dörfer und Tankstellen. Irgendwann gabelte sich die Straße und dort lag ein großer Rasthof und Tankstelle, wo wir Tee tranken.

Mohamed Ahmed
Danach war es nicht mehr weit bis wir auf die Straße nach Arkawit abbogen. Zu Kolonialzeiten war dort ein Militärcamp, von wo aus die Briten  im 2. Weltkrieg gegen die Italiener in Eritrea kämpften. Es war nur noch ein großes Tor übrig. Wir fuhren etwa 20 km weiter Richtung Berge. Die Landschaft änderte sich dramatisch. Die Asphaltstraße führte durch flache eintönige Landschaft, viel Sand, Geröll und wenig Gräser. Aber je näher wir den Bergen kamen, desto grüner wurde es und die Felsformationen war auch nicht schlecht.

Das Kaffeehaus
Wir hielten im ersten Dorf und tranken Kaffee. Awad kannte den „Kaffeehausbesitzer“ Mohamed Ahmed von früheren Reisen. Der Kaffee wird ähnlich zubereitet wie in Äthiopien, aber zusätzlich noch mit gemahlenem Ingwer. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Ich staunte, als ich hörte, dass Mohamed Ahmed erst 45 war, ich hätte ihn auf über 60 geschätzt. Aber das Leben auf dem Land ist hart und die Menschen altern schneller. Auch das Kaffeehaus war ein Verschlag aus Ästen und trockenen Kakteen, man saß auf dem Boden auf alten Säcken.

Unser Hotel lag wenige hundert Meter hinter dem Dorf und ich war verblüfft, so etwas in dieser Einöde zu finden. Ein richtig großes Hotel mit allem Komfort – und wir waren fast die einzigen Gäste. Awad meinte, dass in den Sommermonaten das Hotel richtig voll sei. In der näheren Umgebung gibt es noch mehrere große leerstehende Anwesen, die der Regierung gehören. Das Klima in den Bergen ist sehr angenehm. Tagsüber wurde es 24° warm und nachts kühlte es auf 18° ab. Das Abendessen bestand aus Omelett mit Brot. Die Zimmer rochen ein bisschen muffig, aber nach längerem Lüften wurde es besser. Wir lernten auch Feliciano Riccardo aus Manila kennen, der schon seit vielen Jahren im Sudan als Baggerfahrer arbeitete. Er hatte in einem Seitental nach Mineralien gesucht und wartete jetzt auf den LKW, der ihn und seinen Riesenbagger abholen würde.

Am nächsten Morgen war ich früh wach und duschte ausgiebig. Es gab warmes Wasser. Nach dem Frühstück - Omelett mit Brot - kauften wir Wasser, Brot und Datteln und marschierten los. Es war sehr neblig und wir sahen keine Berge. Wir fragten uns durch und wurden von Frauen und Kinder angebettelt: „Grush fi?“ Das ist die arabische Variante von „Haste mal en Euro?“
Nach etlichen Irrungen und Wirrungen kam wir am Jebel Al Sit an und sahen – Nebel. Immerhin gab es ein Absperrgitter, damit man nicht in die Schlucht stürzte und auch einen Kaffeeverkäufer. Seit kurzem auch einige Rondells, in denen man sitzen kann. Wir wollten erst mal Kaffee trinken und hofften, dass sich der Nebel verziehen möchte.  Aber es gab keinen Zucker. Zum Glück ist in Afrika jeder mit einem Handy ausgerüstet und er telefonierte nach Zucker. Wir mussten ein bisschen warten und versuchten in dem Nebel etwas von der Landschaft zu sehen. Der Kaffeeverkäufer meinte, gegen Mittag würde sich der Nebel lichten und tatsächlich war es auch so, auch wenn die Sicht immer noch diesig war. Die Schlucht lag einige hundert Meter tiefer und die Seiten waren mit Geröllhalden. Trotzdem gab es dort noch Ziegen und Mädchen, die sie hüteten. Wir kletterten auf den Jebel al Sit und beguckten die Landschaft, die in ihrer Kargheit atemberaubend schön war.

Djebel al Sit
Dann kletterten wir wieder zu dem Kaffeeverkäufer runter, wo inzwischen der Zucker eingetroffen war, sowie einige Studenten aus Port Sudan. Wir unterhielten uns, tranken Kaffee und aßen Brot mit Datteln. Später boten uns die Studenten noch einige Stücke Wassermelone an. Am späten Nachmittag machten wir uns auf den Rückweg, der sehr viel kürzer als der Anstieg im Nebel war. Neben unserem Hotel gab unter einer Akazie einen weiteren Kaffeestand, wo wir einkehrten. Überall im Ostsudan wird Kaffee getrunken, einmal bestellten wir Tee, aber er war beinahe ungeniesbar. Beim Kaffeetrinken lernten wir auch einen ziemlich großmäuligen Ingenieur kennen, der gegenüber unserem Hotel eine Ferienanlage des Justizministeriums sehr dilletantisch instand setzte. Als es langsam dunkel wurde, gingen wir zurück ins Hotel zu unserem Abendessen, Omelett mit Brot.

Wir saßen noch ein Weilchen zusammen und sprachen über alte Zeiten. Awad meinte, ich sei damals besonders von dem sudanesischen Testbild – bestehend aus einer Blume und Musik – beeindruckt gewesen und hätte ihn, als wir uns 1989 in Deutschland wiedersahen, ganz ernsthaft gefragt, ob immer noch dieses Testbild im Fernsehen liefe. Wir wieherten vor Lachen. Es wurden die ganzen alten Kamellen aufgewärmt, Awad und Bakhri kennen sich auch schon seit dem Kindergarten und wir hatten alle viel Spaß.

Am Morgen wachte ich früh auf, duschte und packte, aber von Awad und Bakhri war noch nichts zu sehen. Ich setzte mich unten in die Lounge und wartete. Nach einiger Zeit bestellte ich dann Tee, aber noch immer war nichts von den beiden zu sehen. Als sie schließlich auftauchten, wollte Awad gleich losfahren um dem Omelett-mit-Brot-Frühstück zu entgehen. Wir bezahlten und fuhren etwa 40 km nach Sinkat, wo wir Ful mit Sesamöl und Brot aßen. Awad kaufte noch Obst auf dem Markt und wir fuhren weiter. Einige Kilometer hinter Sinkat gab es einen Stand mit sehr gutem Tee und Kaffee. Er lag einsam an der Landstraße. Dort kann man auch essen und sogar übernachten - ohne Komfort.

Suakin mit Teeverkäufer
Die Straße durch die Berge war gut ausgebaut, aber kurvenreich. Nach einer Stunde erreichten wir Suakin. Dort war ich vor 30 Jahren schon mal mit Stefan. Aber es hat sich sehr verändert. Das alte koloniale Suakin lag auch damals schon in Ruinen und das moderne Suakin bestand nur aus ein paar Hütten. Diese Hütten sind zu einer kleinen Stadt geworden – mit Steinhäusern und zweimal täglich fährt von dort aus eine Fähre nach Jeddah. Die Ruinenstadt war voller Betrieb. Die Türken und Sudanesen versuchen, sie wieder aufzubauen nach altem Vorbild. Wir bezahlten 10 Pfund Eintritt und wanderten durch die Ruinen. Ich versuchte den Platz wiederzufinden, wo ich damals kampiert hatte, aber es gelang mir nur so ungefähr.

Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Port Sudan, das etwa 70 km nördlich von Suakin liegt. In dieser Stadt war ich noch nie, aber ich war positiv überrascht. Awad hat von einem befreundeten jemenitischen Händler eine Wohnung gemietet, das ist billiger und privater als ein Hotel. Wir ruhten ein bisschen und fuhren dann in die Stadt. Im Stadion war die Hölle los. Der Präsident war gekommen und es wurde das Ende einer Messeausstellung gefeiert. Ich hatte schon den ganzen Tag Bindehautentzündung, wahrscheinlich von der Klimaanlage und wir besorgten in der Apotheke arabische Augentropfen, die sofort halfen.

Kameltransport nach Ägypten
Am nächsten Morgen fuhren wir zum Hafen und suchten einen Platz zum Frühstücken. Wir gingen in ein Fischrestaurant, wo es für mich Suppe und Reis gab und für die Jungs Fisch. Der Service war quälend langsam, am Nebentisch palaverten einige Regierungsleute ziemlich laut und nervtötend. Awad regte sich über den Mist auf, den sie von sich gaben. Ich verstand zum Glück nichts. Nach einem schlechten Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Norden. Awad wollte ans Meer nach Arous, aber wir fanden nicht den richtigen Abzweig und als wir fragten, waren wir schon viel zu weit. Der Kaffeeverkäufer, den wir fragten, meinte, etwa 120 km nördlich gäbe es eine wunderschöne Bucht und für ein bisschen Geld war er bereit mit uns mitzufahren und uns die Stelle zu zeigen.

Es war weit, aber es hat sich gelohnt. Die Landschaft änderte sich vielfach und die Straße war ziemlich neu und führte nach Ägypten. Dort gab es viele LKWs mit Kamelen. Die Zeit der Karawanen ist vorbei und die Kamele fahren jetzt per LKW in die ägyptischen Schlachthöfe. Sie saßen ziemlich majestätisch im LKW und guckten in die Landschaft. Irgendwie erinnerten sie mich an ältere Damen bei einer Butterfahrt.

weiß-blau
Die Bucht, in die wir fuhren, war wirklich wunderschön, das Meer tiefblau, der Himmel hellblau, der Strand ziemlich weiß und in der Bucht ankerte ein Segelschiff. Wir fanden viele Muscheln und Korallen, der Strand war bevölkert von Pelikanen und Krebsen, die eilig flüchteten als wir kamen. Hier könnte ich es ein Weilchen aushalten. Vielleicht beim nächsten Mal.

Am Nachmittag fuhren wir wieder zurück und setzten Musa bei seinem Kaffeestand ab. Danach hielten wir doch noch in Arous, wo Awad auch Leute traf, die er von früher kannte. Sie sprachen zum Glück auch Englisch und wir unterhielten uns über Politik und den Niedergang des Hafens in Port Sudan. Sie meinten, früher seien dort täglich einige hundert Schiffe abgefertigt worden, aber durch die Misswirtschaft der Muslimbrüder kämen jetzt nur noch ein bis zwei Schiffe täglich. Seit einigen Jahren gibt es in der Provinz Port Sudan einen neuen Gouverneur, der sehr fähig zu sein scheint. Jedenfalls war die Stadt überraschend sauber und man sah auch Männer und Frauen händchenhaltend durch die Straßen laufen. Awad und Bakhri trafen einen alten Freund, mit dem sie früher um die Häuser gezogen waren. Er war im Begriff zum ersten Mal zu heiraten – mit über 50 – und musste sich einige Neckereien anhören.

Port Sudan hat mir wirklich gut gefallen, obwohl ich mir ganichts davon versprochen hatte. Aber es ist auch ziemlich international, vor allem leben dort viele Jemeniten und Saudis. Auch die Waren und das Benzin kommen eher von Saudi-Arabien als von Khartoum.

Am nächsten Morgen standen wir um 5 Uhr auf und fuhren kurz nach 6 Uhr los. Am Stadtrand tankten wir und fuhren zurück nach Suakin, wo Awad und Bakhri bei einem Händler Muscheln und Korallen kauften, die sie im Laden verkaufen wollten. Wir frühstückten auch dort. Awad meinte, die Sudanesen würden erst um 10 oder 11 Uhr frühstücken und es sei schwierig, vorher etwas zu finden. Aber wir hatten Glück und ein sehr gutes Ful-Restaurant hatte schon geöffnet. Wir nahmen auch Ful-Burger für die lange Reise mit und kauften Wasser.

Der nächste Stop war die Gabelung in Heiya, wo wir tankten und von den Frauen dort Körbe kauften, die Awad in seinem Laden verkaufen wollte. Es kamen wieder viele Kinder mit dem Spruch „Grush fi?“ Wir fuhren weiter und unterhielten uns. Die Strecke führte entlang der alten britischen Bahnlinie und Awad erzählte, dass sie vor über 100 Jahren gebaut worden war und noch immer in gutem Zustand sei, obwohl die Regierung den Unterhalt der Bahnlinie vernachlässigen würde. Wir beschlossen, am nächsten Bahnhof zu halten und ihn zu fotografieren.

Er lag nicht weit entfernt von der Straße in einer ziemlich sandigen Gegend mit nur wenigen Hütten. Der Wind blies ziemlich heftig und wir knipsten drauf los, bis auf einmal die Tür aufging und 2 Bahnwärter uns hereinbaten. Sie erzählten, täglich würden 5 Güterzüge vorbeikommen. Sie tun immer 30 Tage Dienst und haben dann 30 Tage frei. Sie zeigten uns alles, das Stellwerk und die Signalanlage, die auch schon über 100 Jahre alt waren. Sie freuten sich wirklich sehr uns zu sehen, eine willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei. Wir gingen zusammen zu einer Hütte, in der es auch Kaffee gab. Mittlerweile hatte sich unsere Anwesenheit rumgesprochen und es kamen viele Männer um uns zu bestaunen. Ein älterer Mann fasste sich ein Herz und meinte, man solle mir sagen, dass der Brunnen des Dorfes nur salziges Wasser hätte, dass man nicht trinken könne und das auch die Tiere verschmähten. Die Regierung würde nichts tun, dabei könnte man mit einem Filter Abhilfe schaffen. Wir gingen zu dem Brunnen und wirklich, das Wasser schmeckte scheußlich, salzig und bitter. Awad notierte sich die Handynummer von dem Dorfchef, dann beteten alle, dass es mit dem Filter klappen würde und wir fuhren weiter.

Etwa 100 km weiter kamen wir mitten in der Wüste an Früchten vorbei, die ähnlich wie kleine Kürbisse aussahen und wir sammelten sie ein. Awad meinte, das sei Medizin und sehr gut bei Rückenschmerzen, Rheuma und Arthritis.

In Atbara machten wir Station bei Bakhris Freund, aber er war außer Haus, deshalb gingen wir in eine Cafeteria außerhalb der Stadt, in der es wirklich sehr guten Tee gab. Danach fuhren wir durch bis Dem El Garay, etwa 170 km vor Khartoum. Das ist ein kleines Dorf am Nil, wo ich beim letzten Mal fast eine Woche verbracht hatte. Die Dorfleute waren so nett und gastfreundlich, vor allem Issam, der mich damals im Bus aufgegabelt hatte und zu sich eingeladen hatte.

Izzam mit seinen Jungs
Wir fragten uns zu seinem Haus durch und seine Schwester öffnete die Tür. Sie erkannte mich sofort und freute sich sehr uns zu sehen. Issam war mit seiner Frau und Mutter bei einer Beerdigung, aber die Schwester rief ihn an und nach wenigen Minuten kam er. Die Wiedersehensfreude war sehr groß. Mittlerweile hatte er geheiratet und 2 Söhne. Er war auch ziemlich gealtert und hatte schon viele graue Haare, obwohl er höchstens 38 war. Leider konnten wir nicht lange bleiben, da wir bei Einbruch der Dunkelheit in Khartoum sein wollten. Issam wollte aber in den nächsten Tagen nach Khartoum fahren, vielleicht klappt es ja noch mit einem Wiedersehen. Jedenfalls habe ich vor 12 Jahren Bilder in das Dorf geschickt und sie sind tatsächlich angekommen.

Wir fuhren weiter, hielten noch  einmal an um Tee zu trinken und waren gegen 8 Uhr wieder zuhause. Ich duschte ausgiebig und redete danach noch mit Awads Mutter und Schwester. Nach einer Woche im Sudan sind ziemlich viele Wörter wieder zurück gekommen und ich konnte mich radebrechend unterhalten. Aber die lange Fahrt hatte mich ziemlich geschlaucht.

Am Morgen bin ich kurz vor 9 Uhr wachgeworden und duschte wieder. Awad kam gegen halb 10 und wir fuhren in die Stadt, wo wir in seinem Büro frühstückten. Ich hatte mich mit Computer und allem Zubehör bewaffnet, weil ich nach einer Woche meine Emails checken wollte, bei der Bank vorbeischauen und endlich mal wieder surfen wollte. Mit dem Handy hatte ich zwar auch Internetverbindung, aber es ist nicht dasselbe wie mit dem Computer. Leider stellte ich fest, dass ich, seit wir letzten Sommer den Server gewechselt haben, keine Emails von meinem Fistula Account verschicken konnte. Das hat mich ziemlich irritiert, aber zum Glück klappte es mit Web.de

Ich bin im Büro fast erfroren und hatte Angst mich zu erkälten. Awad schwitzt leicht und hat die Klimaanlage auf 20° eingestellt, dazu noch den Ventilator. Ich sass bibbernd im Büro und beeilte mich, mit dem Computer fertig zu werden. Draußen war es 40° warm, das kam mich danach richtig angenehm vor. Am Nachmittag verabschiedeten wir uns von Awads Freunden und fuhren zu Awads Frau und ihrer Familie. Sie wohnen in einem sehr großen Anwesen, in das Awad mit Frau und Tochter nächste Woche auch einziehen wird. Wir redeten noch ein Weilchen miteinander, es war ziemlich lustig, da ihr Englisch so gut wie mein Arabisch war.

Kurz vor 8 fuhren wir zu Bakhris Familie. Er hat 5 Kinder zwischen 22 und 12 Jahren, die alle gut Englisch sprachen und überhaupt die ganze Familie ist unglaublich nett. Bakhris Frau Chaditja kennt mich auch schon seit meiner 1. Reise. Sie wohnte damals in der Nachbarschaft und war etwa 12 Jahre alt. Die Kinder sind internetmäßig ziemlich fit und ich bin sicher, wir werden jetzt enger in Kontakt bleiben. Überhaupt habe ich auf dieser Reise viel über mein Handy gelernt. Wir blieben lange und kamen so spät nach Hause, dass Awads Mutter schon schlief und sich mitsamt meinem ganzen Gepäck eingeschlossen hatte. Deswegen musste ich im T-Shirt und quasi ungewaschen schlafen.

Bin morgens früh aufgewacht und sofort, als Awads Mutter wach war, holte ich meine Sachen und verschwand in die Dusche. Awad kam später vorbei und wir fuhren erst mal zu dem Laden in Riadh um etwas zu holen. Danach hielten wir vor einem Haus und er meinte, ich solle mitkommen. Ich war total überrascht, seine Schwester Adila wiederzusehen. Die Überraschung ist ihnen echt gelungen.

Awads ganze Familie kenne ich seit meiner ersten Sudanreise und ich war 1984 auch mit Adila in ihrer Schule, zuerst im Englischunterricht, danach im Arabischunterricht und zum Schluß in Französisch. Danach bin ich geflüchtet... Wir tranken Tee und Saft und ich begrüßte auch ihre Kinder. Mohamed ist inzwischen ein junger Mann von 19 Jahren, der mich um einen Kopf überragt und ihre jüngste Tochter, die beim letzten Mal gerade wenige Tage alt war, ist jetzt ein Teenager von 11 Jahren. Zum Glück sprachen Adilas Kinder gut Englisch.

Später verabschiedeten wir uns und trafen uns mit Hannah in einer Pizzeria. Pizza ist zurzeit das angesagte Essen in Khartoum. Am Nachmittag fuhren wir wieder ins Büro und kopierten unsere Fotos. Gegen Abend dann wieder nach Omdurman, weil wir noch bei Awads Schwester Maschair eingeladen waren zum Teetrinken. Auch sie habe ich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Inzwischen hat sie 3 Kinder und lebt mit ihrem Mann, einem Kinderarzt neben Awads Mutter. Die letzten Jahre haben sie in Saudi-Arabien gelebt und ich wußte nicht, dass sie wieder zurück waren. Den Rest des Abends verbrachte ich mit Kofferpacken.

Awad war pünktlich um 8 Uhr morgens da und holte mich ab.Seine Schwägerin fuhr auch mit zum Flughafen, da sie beide hinterher noch in einen Baumarkt wollten. Ich dachte, mein Flug sei um 11.45, aber als wir ankamen, wollte man mich nicht in den Flughafen lassen und meinte, der Flug ginge erst um 15 Uhr. Wir gingen zu Ethiopian Airlines und dort bestätigte man uns, dass es so sei. Wir überlegten, was zu tun sei. Es lohnte sich fast nicht mehr, nochmal in die Stadt zu fahren. Aber draußen waren es 38°. Awads Schwägerin rief ihre Cousine an, die im Flughafen arbeitet und sie nach mich mit nach drinnen. Es war angenehm klimatisiert und ich wartete.

Um halb 12 wurde der Check-in geöffnet. Ich stellte mich an, aber es gab ein Problem. Da ich nur bis Addis flog und nicht nach Deutschland, streikte der Computer. Und es wurde auch bemängelt, dass ich das Ticket nicht ausgedruckt hatte. Nach langem Hin-und-Her ließ man mich einchecken. Das war der 1. Schritt.

Danach musste ich ein Formular ausfüllen in 3-facher Kopie. Ich stellte mich in die Schlange und als ich an der Reihe war, sagte man mich, ich bräuchte ein Ausreisevisum und das bekäme ich gegenüber. Ich füllte aus, kopierte 3 mal – gegen Gebühr – und zahlte dann das Ausreisevisum – 35 Euro! 5 verschiedene Leute hatten meinen Pass in der Mache. Ich stellte mich wieder an, wurde aber zurück geschickt, weil noch die Marke fehlte. Also gut, Marke geholt und wieder angestellt, dann wollte er auch noch das 1. Formular, dass ich vor laute Papieren schon weggepackt hatte. Mittlerweile fand ich das Ganze zum Brüllen komisch und steckte alle anderen mit Lachen an. Ich meinte zu dem Grenzer: „Es ist nicht einfach in den Sudan einzureisen und noch schwieriger, wieder auszureisen, aber ich werde wiederkommen.“ Er wünschte mir viel Glück. Das war der 2.Schritt.

Danach wollte ich zur Handgepäckkontrolle, aber man schickte mich weg, weil es noch zu früh sei! Also wartete ich ein bisschen und reihte mich dann ein. Ich wurde gründlich gefilzt mit Bodycheck und allem drum und dran. Aber schließlich hatte ich es geschafft und saß im Flieger. Das war der 3. Schritt.

Die ganze Prozedur hat über 2 Stunden gedauert. Der Flug nur 1 Stunde und 45 Minuten. Die Einreise nach Äthiopien angenehme 15 Minuten – von der Landung bis ich mit Visum und Koffer aus dem Flughafen draußen war. Es geht doch nichts über effizientes Arbeiten.

Aber Sudan ist und bleibt mein Lieblingsland. Wir haben sehr viel gelacht in diesen 10 Tagen.










Freitag, 28. Januar 2011

schon wieder nouakchott

Nach drei Wochen Deutschland schon wieder Nouakchott. Der Rückflug im Dezember war so frustrierend, dass ich an meinem ersten Arbeitstag gleich nach einem neuen Flug gesucht habe und zwei Tage später schon wieder gebucht habe. Im Dezember musste ich leider arbeiten, da ich keinen Urlaub mehr hatte, aber das neue Jahr war nicht weit. 
Also bin ich am 31. Dezember pünktlich um Mitternacht in Nouakchott eingeschwebt. Um die Weihnachtszeit waren alle Flüge extrem teuer außer eben an Silvester. Aber von Silvester war nicht viel zu merken. Es waren zwar noch Leute unterwegs, aber es war ziemlich still. Willy, Brigitte und ihre Kinder holten mich ab und wir fuhren gleich nach Hause. 
Hier ist es jetzt "nur" noch 20-25° warm und nachts nur noch so 13-15°. Dazu weht ständig der Wind aus Osten (Richtung Wüste)und bläst den mehlfeinen Sand durch die Gegend. Halb Nouakchott ist erkältet und ich auch. Leider habe ich nach dem extrem heißen November kaum langärmlige Sachen mitgenommen und ziehe deswegen meistens am Abend Pullis von Willy an. Wir haben uns auch eine Decke gekauft. Im November war es auch nachts noch so heiß, dass wir uns nie zugedeckt haben. Jetzt kühlt es abends ziemlich ab. Dafür ist es aber um die Mittagszeit angenehm warm.   
Hier läuft alles mehr oder weniger normal. Am 2. Januar rief ich in der deutschen Botschaft an, aber man teilte mir mit, Herr Albers sei nicht in der Stadt und ich solle es eine Woche später nochmal probieren. Eine Woche später dasselbe, aber dieses Mal verlangte ich einen Deutschen zu sprechen und wurde mit einer Dame verbunden, die mir mitteilte, Herr Albers sei ab 17. Januar wieder zurück. Ich rief ihn auch gleich am 17. an und wir verabredeten und für den 19. Januar. Willy hat einen ganzen Packen an Dokumenten, alles im Original und mit jeweils 2 Kopien. Er hatte alles schon seit vier Wochen fertig, aber zuerst war Herr Albers krank und dann im Urlaub. Ich habe auch schon einen preiswerten Flug gefunden - am 28.2. hoffentlich klappt es bis dahin mit der Aufenthaltserlaubnis.              
Mit Willy habe ich jeden Tag deutsch gesprochen und er machte deutliche Fortschritte. Er kann sich schon einigermaßen ausdrücken, auch wenn er  noch viele Fehler macht. Aber man versteht - meistens wenigstens - was er sagen will.  Ich habe das Volkshochschulbuch mitgenommen und wir arbeiten uns voran. Der Deutschkurs fängt am 14.3. an - mit Lektion 3. Die beiden ersten haben wir schon durch. Ich habe ja Übung durch die vielen Austauschschüler. 
Wir waren bei einem Couchsurfer Treffen mit 8 Leuten aus 8 Ländern. Am besten habe ich mich mit Walter aus Rumänien verstanden. Er wohnt in Berlin und spricht fließend deutsch. Er hatte ein kleines Geldproblem, da sehr zu seiner Überraschung seine Kreditkarte hier nicht  funktioniert. Aber ich konnte ihm helfen und er ist jetzt weiter nach Mali gereist.  
Die anderen Couchsurfer kamen aus Mauretanien, Frankreich, Schweden, China und den USA. Willy und ich waren die ältesten, die anderen waren zwischen 25 und 30. Die meisten leben hier. Mit Dada aus Nouakchott hatte ich mich schon vorher getroffen und wir haben uns für das Savanna Cafe entschieden, da dort die Preise normal waren. Um 9 Uhr zogen wir um ins Medina, da dort "open-mic-night" war.Ansonsten habe ich mich in aller Ruhe mit Spendenbescheinigungen und Jahresdankesbriefen beschäftigt und habe auch an dem neuen Newsletter gearbeitet. Aber da ich ja viel Zeit hatte, lief das alles ohne Stress. Ich muss auch nicht falten, eintüten und zur Post bringen, das macht jetzt der Thomas in Solingen. allein das finde ich schon sehr entlastend. 
Wir wohnen hier in einer Art Zweck-WG mit Medizin-Studenten. Willy hat in der Wohnung ein Zimmer mit Bad gemietet. Dann gibt es noch ein anders Zimmer und eine  Art Küche, d.h. einen Raum mit nicht installierter Spüle sowie ein Plumpsklo mit integrierter Eimerdusche und einen Vorraum, in dem auch das Wasser in einen Eimer tröpfelt. Es gibt KEIN fließendes Wasser. 
Die Studenten haben ursprünglich nur zu zweit den anderen Raum gemietet, aber inzwischen wohnen sie dort zu siebt oder acht und es schlafen auch welche in der Küche, die eigentlich nur eine Rumpelkammer ist. Der Vorraum hatte letzte Woche den Siff-Grad erreicht, wo ich es nicht mehr mit angucken konnte und habe mal alles aufgeräumt und gesäubert, wobei ich ein paarmal fast gekotzt hätte. UND ICH BIN NICHT ZIMPERLICH !!! bei solchen "Ärzten" sollte man besser nicht krank werden. 
Ich nehme an, die Studies kommen vom Land, sonst würden sie bei Muttern wohnen, aber auch wenn sie brave Moslems sind, nicht rauchen und nicht saufen, feiern sie doch gerne lange und ausgiebig und laut. Darin unterscheiden sie sich in nichts von anderen Studenten. Aber wenn sie Medizin studieren, dann steht Hygiene wahrscheinlich nicht auf dem Stundenplan. Meine Putzerei hat nur kurzen Eindruck gemacht, denn nach zwei Tagen sah es wieder genauso aus. 
Ich brutzele und koche jetzt jeden Tag Fleischgerichte und bin über mich selbst erstaunt, was ich alles so im Repertoire habe. Trotzdem ist unsere Küche karo-einfach. Es gibt 4 Töpfe, die auch als Teekanne und Salatschüssel herhalten mussten. Außerdem noch eine Pfanne mit Drehgriff, da musste man immer aufpassen, damit nichts runterfiel. 3 Teller, 2 Tassen, 4 Gläser, 4 Messer, 2 Gabeln, 3 Löffel. Außerdem habe ich jetzt ein Schneidebrett mitgebracht, einen Schäler und eine Knoblauquetsche, allein das war eine wesentliche Verbesserung. Aber für 2 Leute ist es durchaus ausreichend. Wir haben auch einen Stuhl, der Rest sitzt auf dem Bett oder den Wasserkanistern. So ähnlich lebt die Mehrheit der Bewohner Nouakchotts. Wir haben immerhin den Luxus eines eigenen Bads, wenn auch ohne fließendes Wasser, aber mit Toilette und Badewanne.Gekocht wird mit einem Gaskocher - einflammig. Geschnippelt und gegessen wird auf dem Fussboden. Wir haben auch eine Tischdecke, die wir dort ausbreiten - und die inzwischen auch jeden Tag wasche. Es ist alles ein bisschen wie Camping und für einige Wochen wird es gehen. Wenn ich aber länger hier wohnen müsste, würde ich doch einige grundlegende Änderungen einführen. Aber auch, wenn es einfach ist, kann man es sauber halten.Trotzdem gibt es auch hier in Nouakchott fast alles. Ich habe auch  einige westliche Supermärkte entdeckt, die fast deutschen Standard haben. Dort kann man alles kaufen und die Preise sind garnicht mal so hoch wie erwartet. Vor allem sind es Fixpreise. Willy kauft meistens auf dem Markt ein, ich würde niemals die lokalen Preise erhandeln können. Das ist dann der ganz alltägliche afrikanische Rassismus. Ansonsten pilgere ich jeden morgen zum Internetladen und erledige alles was so anfällt. Man kennt mich dort und lässt mich gewähren. manchmal bekomme ich mauretanischen Tee serviert und durfte auch schonmal kostenlos surfen, wenn Omar kein wechselgeld hatte.  Aber das Internet ist nicht teuer, etwa 50 cents die Stunde. Emails usw. schreibe ich zuhause und schicke sie bei nächster Gelegenheit alle auf einmal los. Zum Glück hatte ich mein Netbook dabei, da hatte ich alle Email-Adressen und andere Sachen parat und musste mich auch nicht mit der französischen Tastatur rumärgern. 
Manchmal waren wir abends bei unserer Freundin Brigitte und ihren Kindern, dort gibt es auch Internet, wenn auch nur ziemlich unzuverlässig. Außerdem läuft IMMER der Fernseher mit den unsäglichsten Programmen, Nachrichten werden tunlichst vermieden. Das alles in einer Lautstärke, dass ich mich manchmal frage, ob sie vielleicht schwerhörig sind. Oft stöpselte ich mir die Ohren zu und hörte Musik. Anfangs dachte ich, das sei unhöflich, inzwischen war es mir egal. Es fiel mir auch schwer den afrikanischen, indischen und brasilianischen Seifenopern zu folgen, da ständig zwischen diversen Kanälen hin und hergeschaltet wurde, damit man mehrere Serien parallel gucken kann. Es ist aber nur bei Brigitte so schlimm mit dem Fernsehen, bei unseren anderen Freunden läuft er zwar auch, aber in erträglicher Lautstärke und dort bekomme ich dann auch mal die Nachrichten mit. Ich schätze es sehr, dass Willy keinen Fernseher hat. 
Am Sonntag rief die deutsche Botschaft an und wollte Willys Pass haben. Das bedeutet, dass die Dokumente unterwegs sind und das ist ein sehr gutes Zeichen. So fiel die Rückreise sehr viel anders aus als im Dezember.  

Samstag, 4. Dezember 2010

04.12.2010 Kurz von Schluß


Die letzte Woche in Nouakchott war bürokratisch extrem beschissen und ich bin froh, dass wir zumindest einige Tage im Senegal waren, sonst wäre ich ausgerastet.
Wir kamen Montagabend zurück. Willy rief seinen Freund in Kinshasa an, der ihm sagte, dass er jetzt endlich den Stempel des Außenministeriums hätte und am nächsten Tag zur deutschen Botschaft wollte, um diese verdammte Geburtsurkunde nochmals beglaubigen zu lassen. Am Mittwoch rief er an, dass sie die Deutschen geweigert hätten, die Geburtsurkunde zu beglaubigen. Ich rief die deutsche Botschaft in Nouakchott an und erzählte alles. Man wollte sich darum kümmern und gleich anrufen. Aber das „gleich“ dauerte auch bis zum nächsten Morgen.
Als ich am Donnerstagmorgen wieder anrief, hieß es, man könne die Geburtsurkunde nur von einem von der deutschen Botschaft anerkannten Notar in Kinshasa beglaubigen lassen und das würde rund 1.000 Euro kosten. Der nächste Hammer war aber, dass Herr Albers meinte, die Deutschen würden die Eheschließung in der kongolesischen Botschaft nicht anerkennen. Vor dem deutschen Gesetz wären wir also gar nicht verheiratet und Willy könne deshalb auch kein Visum bekommen. Ich war fix und fertig und rief gleich Willy bei der Arbeit an, der dann auch sofort heimkam.
Wir beratschlagten, was zu tun sei. Es war natürlich Wochenende und das hieß, dass ich zurück musste und alles für die Katz war. Aber Willy rief seinen Freund Maurice an, der jemanden kannte, der beim mauretanischen Standesamt arbeitete. Normalerweise hätten wir Moslems werden und in der Moschee heiraten müssen…
Nach einigem Palaver mit der Sekretärin des Bürgermeisters und einem "kleinen Obulus" wurde uns aber die Heiratsurkunde ausgestellt. Ich musste nicht mal anwesend sein, brauchte nur eine Kopie meines Passes und musste auch nichts unterschreiben. 
Islamische Republik… Da herrscht noch Ordnung in der Geschlechterverteilung… 
Zumindest das ist erledigt. Inzwischen sitze ich auf gepackten Koffern und warte auf Willy. Der Rest wird von Deutschland aus erledigt werden müssen. Wir hoffen jetzt, dass es im Januar mit Willys Visum klappt und ich nicht nochmal kommen muss. Wenigstens ist mein Visum bis Ende Januar gültig.
Heute nachmittag haben wir ausgiebig mit unseren Trauzeugen diskutiert und jetzt beschlossen, dass Willy nächste Woche nach Kinshasa fliegt um die Dinge vor Ort zu regeln. Nach dem ganzen Hickhack der letzten 6 Monate und dem vielen Geld, dass wir völlig unnötig ausgegeben haben, hoffe ich, dass jetzt alles zu einem guten Abschluß kommt und Willy Anfang nächsten Jahres endlich sein Visum bekommt.